Im ers­ten Teil die­ses klei­nen „Ma­king of“-Be­richts sprach ich von dem An­spruch, un­se­re Ur­text­aus­ga­ben me­di­en­ge­recht in einer App um­zu­set­zen. Was dies für das Lay­out des No­ten­tex­tes be­deu­tet und wie wir hier große Fle­xi­bi­li­tät er­rei­chen, habe ich dort be­reits dar­ge­legt. Nun soll es um ei­ni­ge zu­sätz­li­che Funk­tio­nen und um die Prä­sen­ta­ti­on der Text­an­tei­le in un­se­ren Aus­ga­ben gehen.

Wie­der­ho­lun­gen, der Stol­per­stein der Um­blät­te­rer

Sie ken­nen das: Im Kam­mer­kon­zert sitzt ein Um­blät­te­rer neben dem Pia­nis­ten, man mu­si­ziert ein klas­si­sches Werk, in dem zahl­rei­che Wie­der­ho­lun­gen die­sem eine be­son­de­re „Her­aus­for­de­rung“ (man könn­te auch sagen „zu­sätz­li­chen Angst­schweiß“) bie­ten. Mal muss fünf Sei­ten zu­rück­ge­blät­tert wer­den, mal drei, mal wird eine Wie­der­ho­lung aus­ge­las­sen (Hallo? Ur­text?). Hof­fent­lich hat man sich vor­her ab­ge­spro­chen, sonst geht’s im Ernst­fall schief.

In der di­gi­ta­len Ver­si­on un­se­rer Ur­text­aus­ga­ben haben wir uns dazu na­tür­lich Ge­dan­ken ge­macht. Kön­nen wir die Si­tua­ti­on in der App leich­ter und si­che­rer ma­chen. Zu­nächst kann man das Wech­seln der No­ten­sei­ten ent­we­der durch Tap­pen, Swi­pen oder Drü­cken des Um­blät­ter-Pe­dals aus­lö­sen. Man ist also, wenn man gut mit dem Pedal um­ge­hen kann, recht un­ab­hän­gig und be­nö­tigt kei­nen Um­blät­te­rer. Wenn es dann um Wie­der­ho­lun­gen geht, so haben wir uns etwas Be­son­de­res ein­fal­len las­sen. Ein Zwei­fin­ger-Tap auf den Bild­schirm oder ein Dop­pel-Tap auf dem Pedal, und die Noten sprin­gen zum Be­ginn einer Wie­der­ho­lung, egal wie viele Sei­ten zu­rück­ge­blät­tert wer­den muss.

Dazu muss­ten die No­ten­da­ten na­tür­lich mit zu­sätz­li­chen In­for­ma­tio­nen auf­be­rei­tet wer­den. Hier sehen Sie einen Screen­shot un­se­rer vom Part­ner Touch­press pro­gram­mier­ten Ent­wick­lungs­um­ge­bung „Score­Pro­du­cer“.

Das Set­zen eines Wie­der­ho­lungs­an­kers in den Noten

Mit Hilfe eines An­kers – das ist die rote Linie, die beim Wie­der­ho­lungs­zei­chen steht – mar­kie­ren wir die Stel­le, von der aus bei einem Zwei­fin­ger-Tap zum Be­ginn der Wie­der­ho­lung zu­rück­ge­sprun­gen wer­den soll. Ge­nau­so set­zen wir beim Be­ginn der Wie­der­ho­lung einen Anker.

Was nun noch er­le­digt wer­den muss, ist das Ver­knüp­fen die­ser bei­den Anker. Das wird in einem an­de­ren Be­reich der Ent­wick­lungs­um­ge­bung um­ge­setzt:

Das Fest­le­gen der Ver­bin­dung zwi­schen Wie­der­ho­lungs­end- und an­fangs­punkt.

Ein be­son­de­res Pro­blem gab es zu­sätz­lich zu lösen: Am Ende eines Trios in einem Me­nu­ett an­ge­kom­men, ist das Zu­rück­sprin­gen lei­der nicht ein­deu­tig. Soll der zwei­te Teil des Trios wie­der­holt wer­den oder ist das schon ge­sche­hen und es soll zu­rück zum Me­nu­ett ge­sprun­gen wer­den? Das haben wir prag­ma­tisch ge­löst: Nach dem Trio folgt noch ein­mal der No­ten­text des Me­nu­etts. Ein Zu­rück­sprin­gen ist nicht nötig, und damit gibt es am Ende des Trios auch keine Zwei­deu­tig­keit mehr.

Kom­men­ta­re zum No­ten­text – Zu­sam­men­brin­gen, was zu­sam­men­ge­hört

Auch das ken­nen Sie: Im No­ten­text stol­pern Sie beim Spie­len über eine un­ge­reim­te Stel­le. Kann das wirk­lich so rich­tig sein? Sie wol­len mehr dar­über er­fah­ren, wie der No­ten­text zu­stan­de ge­kom­men ist. Dazu gibt es in un­se­ren ge­druck­ten Aus­ga­ben den Be­mer­kungs­teil am Ende, nach den Noten. Sie blät­tern also dort hin, fin­den in den Ein­zel­be­mer­kun­gen den rich­ti­gen Satz, die rich­ti­ge Takt­zahl und schließ­lich mit etwas Glück auch eine Be­mer­kung zu dem Pro­blem, über das Sie im No­ten­text ge­stol­pert sind. Wenn Sie geis­tes­ge­gen­wär­tig waren, haben Sie bei der No­ten­stel­le einen Fin­ger in der Aus­ga­be ge­las­sen und kön­nen nun im Hin- und Her­blät­tern zwi­schen Musik und Be­mer­kung (wo war sie gleich auf der Seite noch mal?) den Sach­ver­halt auf­klä­ren.

Wech­seln wir in die di­gi­ta­le Welt. Hier gibt es für sol­che Si­tua­tio­nen ein Zau­ber­wort: „Hy­per­text“. Damit wird aus­ge­drückt, dass man an be­lie­bi­gen Stel­len in einem Text (auch in einem No­ten­text) zu­sätz­li­che In­for­ma­ti­on über einen so­ge­nann­ten „Hy­per­link“ (eine pro­gramm­tech­ni­sche Ver­knüp­fung) er­rei­chen und dar­stel­len kann. Es liegt also nahe, eine Be­mer­kung zu einer Stel­le im No­ten­text an Ort und Stel­le auf­ru­fen zu kön­nen. In der App gibt es dazu eine Funk­ti­on, den Kom­men­tar ein- oder aus­zu­schal­ten. Hier der No­ten­text mit ein­ge­schal­te­ten Kom­men­ta­ren:

Eine No­ten­sei­te mit ein­ge­blen­de­ten Kom­men­tar­fel­dern.

Diese far­big mar­kier­ten Flä­chen müs­sen na­tür­lich in den No­ten­text „hin­ein­pro­gram­miert“ wer­den. Schau­en wir wie­der in den Score­pro­du­cer, wie das geht:

Mar­kie­ren der Kom­men­tar­flä­che im Score­Pro­du­cer

Zum einen zie­hen wir also eine Box über die Stel­le, die spä­ter in der App ein Kom­men­tar­feld wird, zum an­de­ren geben wir mit einer ein­deu­ti­gen Iden­ti­fi­ka­ti­on an, zu wel­chem Kom­men­tar diese Flä­che ge­hört. Au­ßer­dem wird noch spe­zi­fi­ziert, ob es sich um eine Fuß­no­te im No­ten­text oder eine Be­mer­kung aus dem Be­mer­kungs­teil der ge­druck­ten Aus­ga­be han­delt.

Wie be­kom­men wir nun aber den Text die­ser Be­mer­kung (und in ähn­li­cher Weise die an­de­ren Text­tei­le wie Vor­wort, Quel­len­be­schrei­bung etc) in die App? Für die ge­druck­ten Aus­ga­ben lie­gen alle un­se­re „Wort­tex­te“ in Satz­pro­gram­men wie In­de­sign oder Frame­maker vor. Diese Satz­da­ten kön­nen zwar den In­halt der Texte für die App lie­fern, die Dar­stel­lung, das Lay­out sind aber na­tür­lich in der App zum größ­ten Teil nicht nutz­bar. Den­ken Sie nur an den Drei­spal­ten-Satz im Druck, der auf dem iPad nicht nur kei­nen Sinn macht, son­dern schlicht­weg aus op­ti­schen und tech­ni­schen Grün­den nicht ver­wend­bar ist.

Als ers­ten Schritt in Rich­tung di­gi­tal wan­deln wir also unser me­di­en­ge­bun­de­nes For­mat der Satz­da­tei­en in ein me­di­en­neu­tra­les For­mat um. Hier hat sich XML (eX­ten­si­ble Mark­up Lan­gua­ge – engl. „er­wei­ter­ba­re Aus­zeich­nungs­spra­che“) als de­fac­to-Stan­dard in den Me­di­en eta­bliert. Mo­der­ne Satz­pro­gram­me kön­nen, wenn man Ihnen die Struk­tur der vor­han­de­nen Daten „bei­bringt“, zu­min­dest Roh-XML-Da­ten au­to­ma­tisch ex­por­tie­ren.

Was also vor­her in der Druck­aus­ga­be so aus­sah,

sieht nach der er­folg­rei­chen Um­wand­lung und re­dak­tio­nel­len Nach­be­ar­bei­tun­gen in einem XML-Edi­tor so aus:

In der App schließ­lich er­scheint die­ser Text dann in einem ei­ge­nen Pop-up, wenn man auf die Kom­men­tar­flä­che im No­ten­text tippt.

Die Quel­len­si­gel – in die­sem Bei­spiel „A“ – sind wie­der­um ver­knüpft mit der ent­spre­chen­den Quel­le­n­in­for­ma­ti­on an an­de­rer Stel­le. Ein Hy­per­link, den man durch tap­pen auf den Link in Ak­ti­on setzt – bringt dann ein wei­te­res Fens­ter zum Vor­schein, in dem das Quel­len­si­gel auf­ge­löst wird:

Mit die­ser Tech­nik tun sich nun viele Mög­lich­kei­ten der In­for­ma­ti­ons­ver­mitt­lung zum No­ten­text auf. Wir haben zum Bei­spiel die Kom­men­tar­feld-Funk­ti­on auch ge­nutzt, um Über­set­zun­gen von un­ge­wöhn­li­chen Auf­füh­rungs­an­wei­sun­gen di­rekt im No­ten­text an­zu­bie­ten. Sie ste­hen in den Druck­aus­ga­ben in einer Liste ganz am Ende der Aus­ga­be, noch nach den Be­mer­kun­gen.

Dies ist, wie ich finde, ein wei­te­res schö­nes Bei­spiel dafür, wie das di­gi­ta­le Me­di­um uns neue Mög­lich­kei­ten bie­tet, dem in­ter­es­sier­ten Mu­si­ker das Ar­bei­ten mit dem No­ten­text leich­ter zu ma­chen. Hier, wie in vie­len an­de­ren As­pek­ten, spielt die Henle Li­bra­ry App eine ihrer gro­ßen Stär­ken aus.

 

LADEN SIE DIE APP

Laden Sie die App aus dem App Store auf Ihr iPad:

 

Ab Juni 2016 wird es die App auch für An­dro­id-Ge­rä­te geben!

Hier fin­den Sie Hin­wei­se zur Be­nut­zung der vie­len Fea­tures der App.

 

 

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2 Antworten auf »Die Henle Library App – ein Blick hinter die Kulissen. 2. Teil«

  1. Ana Borchers Pascual sagt:

    Erst einmal Gratulation für diese wunderbare App. Sie hat unglaubliches Potenzial! Als sehbehinderte Pianistin und Klavierlehrerin von sehbehinderten Schülern denke ich, dass diese App uns eine große Hilfe sein wird.
    Ich habe die Bitte die Hervorhebung des Textes durch verschiedene Farbkontraste und höhere Vergrößerungen zu ermöglichen Zur Zeit lässt sich der Notentext für sehbehinderte Pianisten leider nicht groß genug darstellen.

    Darüber würde ich und viele andere Pianisten sehr freuen!

    Mit lieben Grüßen

    Ana

    • Verlag sagt:

      Sollte es hilfreich sein, die Noten weiß auf schwarzem Hintergrund zu sehen, können Sie dies einstellen, indem Sie in den iPad-Einstellungen unter Bedienungshilfen die Farben umkehren. Haben Sie schon versucht die App im Querformat zu nutzen? Sind die Noten dann immer noch zu klein, auch wenn Sie den Rand minimieren?

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