Viel­leicht bin ich ein wenig alt­mo­disch: ich mag Gäs­te­bü­cher. Ja, in Zei­ten von Face­book und Twit­ter ist das alt­mo­disch. Aber Tweets und Posts ver­ge­hen schnell – das Gäs­te­buch bleibt. Fast jedes Mal, wenn ein Mu­si­ker zu uns in den Ver­lag kommt, rei­che ich ihm oder ihr das schö­ne le­der­ge­bun­de­ne Gäs­te­buch für einen klei­nen Er­in­ne­rungs­ein­trag. Es ist schier un­glaub­lich, wer uns in den vie­len Jahr­zehn­ten in Mün­chen schon be­sucht hat. Jeder Ein­trag hat seine ganz ei­ge­ne Hand­schrift und na­tür­lich un­ter­schei­den sich auch die Ein­trä­ge in­halt­lich: sie kön­nen hu­mor­voll sein, oder sie zei­gen ganz schlicht nur Datum oder Un­ter­schrift, oder sie loben un­se­re Ur­text­aus­ga­ben. (Be­son­ders letz­te­re lese ich na­tür­lich am liebs­ten.)

Auf­ge­schla­gen ist hier zum Bei­spiel eine Seite, be­schrie­ben von der wun­der­vol­len ja­pa­nisch-bri­ti­schen Pia­nis­tin Mi­t­su­ko Uchi­da:

„Eine sol­che Freu­de, beim | Henle Ver­lag Musik zu for­schen | und zu dis­ku­tie­ren. | Mit den bes­ten Grü­ßen | Mi­t­su­ko Uchi­da | 1. Dez.[ember] 2002.“

Dame Mi­t­su­ko Uchi­da hat ihre Fin­ger­sät­ze zu un­se­rer Ur­text-Aus­ga­be des Kla­vier­kon­zerts von Ro­bert Schu­mann bei­ge­steu­ert.

Oder der gran­dio­se nor­we­gi­sche Pia­nist Leif Ove An­ds­nes, der bei uns im Ver­lag viele Quel­len­ko­pi­en stu­dier­te und eben­falls zu einer un­se­rer Schu­mann-Aus­ga­ben (op. 32) sei­nen Fin­gersatz bei­steu­er­te:

„Dear Mr. Seif­fert! Thanks so much for all | your help, for be­au­ti­ful | scores, and for let­ting me | in­ves­ti­ga­te into facsi­mi­les etc. | I am proud to be iden­ti­fied | with the Henle Ver­lag! | All the very best, | Leif Ove An­ds­nes“ [5. März 2004].

Dies sind nur zwei Bei­spie­le aus hun­der­ten von Ein­trä­gen, die sich in un­se­ren Gäs­te­bü­chern fin­den las­sen. Ich be­haup­te mit einem ge­wis­sen Stolz, dass es kei­nen an­de­ren Mu­sik­ver­lag der Welt gibt, der ein so enges, häu­fig sogar freund­schaft­li­ches Ver­hält­nis zu (be­rühm­ten) klas­si­schen Mu­si­kern pflegt, wie wir es tun.

Ei­ni­ge Künst­ler unter un­se­ren Ver­lags­gäs­ten bit­ten wir sogar vor die Ka­me­ra, um mit ihnen ein Foto mit einer blau­en Hen­le-No­ten­aus­ga­be in Hän­den zu ma­chen. Kei­ner hat das bis­her ab­ge­lehnt, nicht ein­mal die be­rühm­tes­ten unter ihnen. Alle lie­ben sie un­se­re Ur­text­aus­ga­ben und alle spü­ren sie sich tief mit un­se­rer wis­sen­schaft­li­chen Ar­beit für den bes­ten No­ten­text der Klas­si­ker ver­bun­den. Das ist ein gro­ßes Pri­vi­leg. Aber auch eine Chan­ce un­se­rer Mar­ken-Pro­fi­lie­rung, denn die Fotos lie­gen na­tür­lich nicht ir­gend­wo in einer Schach­tel. Die Fotos hän­gen bei uns, wür­dig ge­rahmt, im gro­ßen Be­spre­chungs­raum des Ver­lags. Jedes Mal, wenn ich mit einem Be­such hier­her komme, wird so­fort die Bil­der­ga­le­rie be­staunt und be­wun­dert. Und auch Sie, liebe Leser, kön­nen eine Aus­wahl die­ser Fotos je­der­zeit be­trach­ten. Denn wir haben sie auch auf un­se­re Web­sei­te ge­stellt: http://​www.​henle.​de/​de/​der-​verlag/​kuenstler/​index.​html

Die her­aus­ge­ho­be­ne Be­deu­tung, die wir bei Henle dem engen Kon­takt zu Künst­lern bei­mes­sen, hat zu­nächst ein­mal gar nichts mit Fotos und Gäs­te­bü­chern zu tun. Es geht aus­schließ­lich um die Musik. Denn wir kön­nen uns im Ge­dan­ken- und Mei­nungs­aus­tausch mit den Mu­si­kern ge­gen­sei­tig sehr be­fruch­ten. Wir als Her­aus­ge­ber ken­nen die No­ten-Quel­len (Hand­schrif­ten und frühe Dru­cke) und wis­sen, wie man edi­to­risch damit um­ge­hen muss; die Künst­ler wie­der­um sind „power-user“ der klas­si­schen Werke. Viele von ihnen ken­nen Pro­blem­stel­len in No­ten­tex­ten, ent­de­cken Ab­wei­chun­gen der ver­schie­de­nen Aus­ga­ben und fra­gen nach, haben jede Menge An­re­gun­gen. Die Künst­ler ver­trau­en uns, und somit schließt sich wun­der­bar der Kreis.

Das hat schon Gün­ter Henle ge­wusst. Denn unser Ver­lags­grün­der pfleg­te sei­ner­zeit eben­falls engen Kon­takt und teil­wei­se Freund­schaft mit den Klas­sik-Stars sei­ner Zeit. Ich fiel fast vom Stuhl, als ich zum ers­ten Mal das Gäs­te­buch von An­ne-Lie­se und Gün­ter Henle aus der Zeit von 1942 – 1979 durch­blät­tern durf­te. Un­glaub­lich, wer sich da­mals alles in die­sem Buch hand­schrift­lich ver­ewig­te. Ich nenne nur 10 zu­fäl­lig aus­ge­wähl­te Namen aus über 100 be­schrie­be­nen Sei­ten: Mar­tha Ar­ge­rich, Clau­dio Arrau, Wil­helm Back­haus, Da­ni­el Ba­ren­boim, Edwin Fi­scher, Wal­ter Gie­se­king, Ye­hu­di Men­u­hin, David Ois­trach, Ru­dolf Ser­kin, Pin­chas Zu­ker­man. Na­he­zu alle Mu­si­ker-Grö­ßen die­ser Jahre kehr­ten bei den Hen­les ein und aus, und no­tier­ten teil­wei­se sehr per­sön­li­che Zei­len in das Gäs­te­buch.

Viele von die­sen un­sterb­li­chen Künst­lern spiel­ten auch im pri­va­ten Mu­sik­sa­lon der Hen­les in Duis­burg. Zum Bei­spiel Ar­thur Ru­bin­stein! Ob­wohl Ru­bin­stein öf­fent­lich ge­schwo­ren hatte, nach dem Ende des II. Welt­kriegs nie wie­der in Deutsch­land auf­zu­tre­ten, mach­te er für un­se­ren Ver­lags­grün­der eine Aus­nah­me und gab ein Pri­vat­kon­zert in sei­nem Haus. Seine ins­ge­samt fünf Ein­trä­ge im Gäs­te­buch sind vol­ler Über­schwang und Dank­bar­keit; der fol­gen­de ist ziem­lich genau 50 Jahre alt:

„Dem groß­mü­ti­gen Ret­ter der schöns­ten | Musik aller Zei­ten, Herrn Dr. Henle – | vom Her­zen dank­bar __ | Ar­thur Ru­bin­stein | Duis­burg, 19.4.1967“.

Vor gut zwei Jah­ren durf­ten wir das ge­sam­te Gäs­te­buch von An­ne-Lie­se und Gün­ter Henle – die­ses wert­vol­le Zeit­do­ku­ment – scan­nen und auf un­se­rer Web­sei­te ver­öf­fent­li­chen. Wir be­auf­trag­ten eine Ex­per­tin, alle Ein­trä­ge zu ent­zif­fern und ins Reine zu über­tra­gen (was gar nicht so ein­fach war!). Au­ßer­dem wer­den alle Ein­trä­ge in­halt­lich kom­men­tiert. Dazu kom­men ver­schie­de­ne Re­gis­ter: Gäs­te­na­men, Kurz­bio­gra­fie, Chro­no­lo­gie, ein Ver­zeich­nis aller in den Ein­trä­gen ge­nann­ter Mu­sik­wer­ke und, nicht zu­letzt, ein sehr per­sön­li­ches Ge­leit­wort von der heu­ti­gen Ei­gen­tü­me­rin die­ses Schat­zes: Syl­via Haas, der Toch­ter von An­ne-Lie­se und Gün­ter Henle.

Ich wün­sche Ihnen allen FROHE OS­TERN 2017 und lade Sie herz­lich ein, in un­se­rem al­ler-wert­volls­ten Gäs­te­buch zu blät­tern: http://​www.​henle.​de/​guestbook/

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