Al­fred Ein­stein
*1880 Mün­chen – †1952 El Cer­ri­to
© Smith Col­le­ge Ar­chi­ves

Ich kann mich nicht er­in­nern, wann ich Al­fred Ein­steins Mo­zart-Bio­gra­phie[i] zum ers­ten Mal ge­le­sen habe. Höchst­wahr­schein­lich wäh­rend mei­ner ers­ten Se­mes­ter am Mün­che­ner Mu­sik­wis­sen­schaft­li­chen In­sti­tut der Lud­wig-Ma­xi­mi­li­ans-Uni­ver­si­tät, in den­sel­ben Räu­men also, in denen Al­fred Ein­stein ca. 80 Jahre vor mir dort eben­falls Mu­sik­wis­sen­schaft stu­diert hatte. Ende der 1930er-Jah­re muss­te er als Jude mit sei­ner Fa­mi­lie aus Mün­chen flie­hen und emi­grie­ren. Im In­ter­net fand ich eine be­we­gen­de bio­gra­fi­sche Er­in­ne­rung von Ein­steins Toch­ter Eva. Ihr, sowie Ein­steins Ehe­frau Her­tha und sei­ner Schwes­ter Ber­tha ist die Mo­zart-Bio­gra­fie ge­wid­met: „Mei­nen ‚Drei Damen‘“ heißt es mo­zärt­lich im Fron­tispiz.

Was ich aber weiß: Seit mei­ner ers­ten Lek­tü­re die­ses Bu­ches bin ich ein glü­hen­der Ver­eh­rer von Ein­steins Dik­ti­on. Er schreibt immer aus Liebe und Be­geis­te­rung zur Sache, auch aus der Warte gro­ßer Men­schen­kennt­nis, näm­lich per­sön­lich wer­tend, em­pa­thisch, manch­mal dick auf­tra­gend hym­nisch, gerne auch mal etwas her­ab­las­send. Ihm geht es al­lein um den We­sens­kern (er sagt „Cha­rak­ter“) der Per­son Mo­zart und sei­ner Kom­po­si­tio­nen. Dank sei­nes im­men­sen Wis­sens ist Ein­steins Mo­zart-Buch au­ßer­dem auf jeder Seite in­for­ma­tiv. Ge­schenkt, dass heute nicht mehr alle seine fak­ti­schen Be­haup­tun­gen „halt­bar“ sind. Ein­stein wäre der Erste ge­we­sen, Er­kennt­nis­se der Mo­zart-For­schung an­zu­er­ken­nen[ii]. Vor allem aber: Sein Stil ist un­prä­ten­ti­ös, ab­hold jeg­li­cher ge­schwur­bel­ter Fach-Prä­po­tenz. Das im­po­niert mir. Ab­ge­se­hen davon, hat Al­fred Ein­stein die drit­te Auf­la­ge des Kö­chel­ver­zeich­nis grund­le­gend über­ar­bei­tet (1937) und er hat als Ers­ter eine auf phi­lo­lo­gisch über­prüf­ba­ren Bei­nen ste­hen­de Edi­ti­on der „Zehn be­rühm­ten Streich­quar­tet­te“ her­aus­ge­bracht (1945)[iii] – nur als Bei­spie­le sei­ner viel um­fas­sen­de­ren Le­bens­leis­tung.

Die von mir an­ti­qua­risch er­wor­be­ne deut­sche Erst­aus­ga­be (1947) von Mo­zart. Sein Cha­rak­ter, sein Werk ist eines der sehr we­ni­gen Bü­cher, wel­ches ich mehr­mals kom­plett ge­le­sen habe. Kost­pro­ben?

„In Din­gen der Kunst kennt Mo­zart keine Kom­pro­mis­se; und seine helle Be­ob­ach­tungs­ga­be läßt ihn – wie das auch bei Kin­dern so ist – eher die lä­cher­li­chen und schwa­chen Sei­ten eines Men­schen ent­de­cken als die wert­vol­le­ren.“ (S. 126)

„Mo­zarts Musik, in der so man­ches den Zeit­ge­nos­sen ‚tö­nern‘ er­schien, hat sich längst in Gold ver­wan­delt, leuch­tend im Licht, wenn auch von immer wech­seln­dem Glanz für jede neue Ge­ne­ra­ti­on.“ (S. 613)

„Die Pra­ger Sin­fo­nie ent­hält, im lang­sa­men Satz, noch ein wei­te­res Bei­spiel für die wun­der­sa­me Ver­schmel­zung von ‚Ga­lant‘ und ‚Ge­lehrt‘, die Mo­zart am Ende sei­nes Le­bens er­reicht hat … [KV 504, 2. Satz, T. 8 ff.] Es gibt der­glei­chen Dinge bei Mo­zart hun­dert und tau­send; sie sind Zeug­nis­se jener ‚zwei­ten Nai­vi­tät‘, für die nur ein paar Meis­ter in allen Küns­ten prä­des­ti­niert waren und die ei­gent­lich ein lan­ges Leben vor­aus­set­zen – bei Mo­zart sind sie umso wun­der­ba­rer, als er nur sechs­und­drei­ßig Jahre alt wurde“. (S. 220)

Da fällt er, der Be­griff von der „zwei­ten Nai­vi­tät“. Ein­stein ver­wen­det ihn an meh­re­ren Stel­len des Bu­ches (ich habe nicht ge­zählt, wie oft), an denen es um das „Spät­werk“ Mo­zarts geht.[iv] Im Ka­pi­tel zu den Kla­vier­kon­zer­ten kommt er be­schrei­bend gleich zwei­mal auf die „zwei­te Nai­vi­tät“ zu spre­chen:

Das Sei­ten­the­ma im Kopf­satz des C-dur-Kla­vier­kon­zer­tes KV 467 sei „von einer letz­ten Ein­fach­heit, nur den gro­ßen Men­schen mög­lich, Men­schen im Be­sitz jener zwei­ten Nai­vi­tät, der letz­ten Er­run­gen­schaft künst­le­ri­scher und mensch­li­cher Er­fah­rung“ (S. 410):

Mo­zart, KV 467, 1. Satz (Al­le­gro vi­va­ce), Takt 128 ff. (HN 467)

In Ein­steins Be­schrei­bung von Mo­zarts letz­tem Kla­vier­kon­zert in B-dur KV 595 – ich edie­re das Werk der­zeit für den G. Henle Ver­lag – fällt eben­falls der un­ge­wöhn­lich sug­ges­ti­ve Be­griff: „Dies letz­te Kla­vier­kon­zert ist auch wie­der­um ein Werk letz­ter Meis­ter­schaft in der Er­fin­dung – Er­fin­dung von jener uns be­kann­ten [!] ‚zwei­ten Nai­vi­tät‘ … Sie ist so voll­kom­men, daß die Frage des Stils we­sen­los ge­wor­den ist. Der Ab­schied ist zu­gleich die Ge­wiß­heit der Un­sterb­lich­keit“. (S. 419):

Mo­zart, KV 595, 3. Satz (Rondo. Al­le­gro), T. 1–8, Au­to­graph

Und bei der Be­schrei­bung des Lar­ghet­tos aus dem c-moll-Kon­zert KV 491 ver­kneift sich Ein­stein zwar den Be­griff, meint ihn aber, wenn er sagt, diese Musik be­we­ge sich „in der reins­ten und rüh­rends­ten Re­gi­on …und [sei] von einer letz­ten Sim­pli­zi­tät des Aus­drucks.“ (S. 414)

Mo­zart, KV 491, 2. Satz (Lar­ghet­to), T. 1–4 (HN 787)

Al­fred Ein­stein ge­lingt es mei­nes Er­ach­tens dank die­ser For­mu­lie­rung ver­blüf­fend, ein zen­tra­les We­sensphä­no­men der Musik des spä­ten Wie­ner Mo­zart über­zeu­gend auf den Punkt zu brin­gen, ohne sich in (meist oh­ne­hin un­ge­nieß­ba­res) mu­si­kana­ly­ti­sches Klein­klein be­ge­ben zu müs­sen. Die „zwei­te Nai­vi­tät“ mag zwar ter­mi­no­lo­gisch dif­fu­ser sein als etwa „Quarts­ex­t­ak­kord“, aber sie hat damit die Macht, un­se­re kind­li­che Freu­de und er­wach­se­ne Er­schüt­te­rung dar­über beim Hören oder Spie­len zahl­rei­cher Stel­len in Mo­zarts Musik bes­ser ein­ord­nen und tie­fer ver­ste­hen zu kön­nen. „Quarts­ex­t­ak­kord“ nicht.

Wenn Ein­stein spe­zi­ell Mo­zarts Be­fä­hi­gung zu die­ser „zwei­ten Nai­vi­tät“ als „letz­te Ein­fach­heit, nur den gro­ßen Men­schen mög­lich … [als] letz­te Er­run­gen­schaft künst­le­ri­scher und mensch­li­cher Er­fah­rung“ be­zeich­net (S. 410), liest sich das, zu­ge­ge­be­ner­ma­ßen, min­des­tens mys­tisch, wenn nicht gar pseu­do-re­li­gi­ös. Und tat­säch­lich stammt der Be­griff gar nicht von Ein­stein, son­dern aus einem ein­fluss­rei­chen theo­lo­gi­schen Dis­kurs des frü­hen 20. Jahr­hun­derts. Dazu gleich mehr.

In­tui­tiv wuss­te ich be­reits beim ers­ten Lesen so­fort, was Ein­stein mit „zwei­ter Nai­vi­tät“ meint: Un­se­re ganz ur­sprüng­li­che, „erste“, also kind­li­che Nai­vi­tät staunt, ist un­schul­dig, harm­los, schlicht, arg­los, un­ver­stellt, na­tür­lich, ge­sund, ver­trau­ens­se­lig, mit­teil­sam und oft genug auch ori­gi­nell. Wer Kin­der hat, weiß, wovon ich spre­che. Viele Me­lo­di­en des spä­ten Mo­zart spre­chen uns genau in die­sem Sinne un­mit­tel­bar an, be­rüh­ren uns im In­ners­ten, weil sie of­fen­kun­dig nicht (mehr) „kon­stru­iert“ sind (zum Bei­spiel durch Kon­tra­punkt, kom­ple­xe Har­mo­ni­sie­rung, Über­ra­schungs­ef­fek­te etc.), son­dern eben ge­ra­de von einem er­wach­se­nen Kom­po­nis­ten stam­men, der ei­ner­seits als Mensch längst schon seine kind­li­che Un­schuld ver­lo­ren hat (u.a. durch Re­fle­xi­ons­fä­hig­keit und Leid- und Ver­lus­ter­fah­rung), an­de­rer­seits als Künst­ler seine Wun­der­kind-Nai­vi­tät hin­ter sich las­sen muss­te. Und wir Hörer emp­fin­den in­tui­tiv und schmerz­haft-sehn­suchts­voll den Ver­lust un­se­rer ei­ge­nen un­schul­di­gen Kind­heit – so­fern wir uns über­haupt eine Of­fen­heit für solch tie­fen emo­tio­na­len Zu­gang zur Musik be­wah­ren konn­ten.

Ein­stein hat recht: es gibt zahl­lo­se sol­cher uns tief be­trof­fen ma­chen­der Stel­len „zwei­ter Nai­vi­tät“ in Mo­zarts Œuvre. Würde man ge­nau­er in sie hin­ein­leuch­ten mit un­se­rer musik­analytischen Ta­schen­lam­pe, könn­ten wir das Raf­fi­ne­ment sol­cher Er­fin­dung und sei­ner ge­nia­len Ver­ar­bei­tung ganz gut um­schrei­ben, aber damit wohl nie wirk­lich bis zu ihrem We­sens­kern durch­drin­gen. Ein­stein wählt hier­für an zahl­lo­sen Stel­len die recht vage For­mu­lie­rung einer „Ver­schmel­zung von ‚Ga­lant‘ und ‚Ge­lehrt‘“.

Meine Be­ob­ach­tung nun ist, dass die­ses „Ma­te­ri­al“ aus einer Art Mo­zart­schen „Ur­quel­le“ ge­schöpft zu sein scheint. Denn zahl­rei­che der vor­der­grün­dig „nai­ven“ Me­lo­di­en wei­sen un­ter­ein­an­der Ver­wandt­schafts­be­zie­hun­gen auf: sie glei­chen sich mu­si­ka­lisch stark. Ich gebe im Fol­gen­den nur ein ein­zi­ges Bei­spiel dafür, näm­lich den be­rüh­ren­den An­fang des Kla­ri­net­ten­kon­zerts KV 622 – eines von Mo­zarts al­ler­letz­ten Wer­ken. Und ich setze zwei Me­lo­die-Ver­wand­te an­de­rer Werke hint­an, die für mich aus der­sel­ben rei­nen, ge­hei­men Quel­le „zwei­ter Nai­vi­tät“ stam­men. Die No­ten­bei­spie­le mögen für sich spre­chen:

Mo­zart, KV 622, 1. Satz (Al­le­gro), T. 1–4 (HN 729)

Mo­zart, KV 466, 2. Satz („Ro­man­ze“), T. 1–4 (Bä­ren­rei­ter Ur­text)

Mo­zart, KV 563, 1. Satz (Al­le­gro), T. 27 ff. (HN 9625)

Und jetzt kommt „auf die Letzt“, wie sich Mo­zart aus­drü­cken würde, noch eine über­ra­schen­de Wende. Denn der Aus­druck „zwei­te Nai­vi­tät“ stammt gar nicht von Al­fred Ein­stein. Er wurde vor ziem­lich genau 100 Jah­ren, näm­lich 1925, vom Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phen Peter Wust (1884–1940) ge­prägt. Der im In­ter­net als PDF down­load­ba­re, gran­di­os ge­schrie­be­ne ein­schlä­gi­ge Essay aus der Feder des Fun­da­men­tal­theo­lo­gen Joa­chim Negel sei allen Le­se­rin­nen und Le­sern die­ses Blogs ans Herz ge­legt, so­fern sie sich für phi­lo­so­phi­sche, re­li­gi­ons­päd­ago­gi­sche oder theo­lo­gi­sche Fra­ge­stel­lun­gen in­ter­es­sie­ren[v].

Es geht im theo­lo­gi­schen Dis­kurs der „zwei­ten Nai­vi­tät“ um das Kern­pro­blem des un­mög­lich ge­wor­de­nen Glau­ben-Kön­nens an einen (Schöp­fer-) Gott in post-auf­klä­re­ri­schen Zei­ten. Ver­nunft, Skep­sis und na­tur­wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis­se ste­hen fun­da­men­tal gegen die Nai­vi­tät des Glau­bens. Bi­bel­wor­te, so­fern sie über­haupt noch in un­se­rer mo­der­nen Zeit eine Rolle spie­len, wer­den üb­li­cher­wei­se kopf­schüt­telnd als längst ent­my­tho­lo­gi­sier­te Ge­schich­ten aus der Kin­der-Mär­chen­stun­de ent­larvt und bie­ten somit kei­nen mit­tel­ba­ren Zu­gang mehr zu Gott oder zum Glau­ben. Die „zwei­te Nai­vi­tät“ möch­te nun dem mo­der­nen, auf­ge­klär­ten, in höchs­tem Grade miss­traui­schen Er­wach­se­nen den Weg zu­rück – oder bes­ser hinab – zum ge­wis­ser­ma­ßen wie­der kind­li­chen, stau­nen­den Glau­ben er­öff­nen:

„Nach­dem er alles Lern­ba­re ge­lernt, alles Wiß­ba­re er­fah­ren und alles Frag­ba­re ge­fragt hatte, stieg die Glau­bens­welt, in In­ners­ten un­zer­stört, wie­der in ihm auf, und er er­griff sie mit wie­der­ge­won­ne­ner Kind­lich­keit … eine neue see­li­sche Hal­tung, die der zwei­ten Nai­vi­tät“

– ein Satz des deutsch­stäm­mi­gen, is­rae­li­schen Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phen Ernst Akiba Simon (1900–1988), den man im Essay Ne­gels in Fuß­no­te 28 fin­det und dem auch ein ei­ge­nes Ka­pi­tel ge­wid­met ist. Denn Simon ent­wi­ckel­te den Ge­dan­ken­gang der „zwei­ten Nai­vi­tät“ in den 1930er-Jah­ren, er­staun­li­cher­wei­se ohne Peter Wusts Wort­schöp­fung und des­sen grund­le­gen­de Über­le­gun­gen zu ken­nen. (Und, um das An­ge­le­se­ne hier noch not­wen­dig ab­zu­run­den: Der be­kann­tes­te Re­prä­sen­tant und pro­mi­nen­tes­te Ver­tre­ter der „Zwei­ten Nai­vi­tät“ war dann kurz dar­auf der viel­ge­le­se­ne fran­zö­si­sche Phi­lo­soph Paul Ricœur [1913–2005].)

Zu­rück zu Al­fred Ein­stein. Was ich vor mei­ner Be­schäf­ti­gung mit dem also weit über eine sug­ges­ti­ve rhe­to­ri­sche Figur hin­aus­wei­sen­den Dis­kurs gar nicht be­merkt hatte: Ein­stein setzt sie in sei­ner Mo­zart-Bio­gra­fie jedes Mal in An­füh­rungs­zei­chen oder kur­si­viert sie. Ich habe das immer als ein „so­zu­sa­gen“ ver­stan­den, viel­leicht woll­te er aber damit den Be­griff als Zitat kennt­lich ma­chen? Ein­stein deckt je­doch seine Quel­le nicht auf. Das für einen gro­ßen Le­ser­kreis ge­schrie­be­ne Buch hat kaum Fuß­no­ten und kein Se­kun­där­li­te­ra­tur-Ver­zeich­nis; wenn über­haupt, gibt Ein­stein seine Zi­tat-Quel­le an Ort und Stel­le an. Wir könn­ten also spe­ku­lie­ren, wel­chen Autor der um­fas­send ge­bil­de­te Al­fred Ein­stein wohl re­zi­piert haben könn­te. Ich ver­mu­te am ehes­ten die Schrif­ten oder Ideen des Ernst Akiba Simon, der, etwa gleich­alt­rig, wegen der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Bar­ba­rei eben­falls aus Deutsch­land flie­hen muss­te. Ein­steins Nach­lass könn­te hier­zu wo­mög­lich Aus­kunft geben. Er wird in der Mu­sik­bi­blio­thek der Uni­ver­si­tät Ber­ke­ley/USA („Har­gro­ve Music Li­bra­ry“) auf­be­wahrt; die on­line ge­bo­te­nen Kurz­re­ges­ten blei­ben bei den Namen Wust, Ricœur und vor allem Simon je­doch stumm. Meine ent­spre­chen­den An­fra­gen blie­ben lei­der un­be­ant­wor­tet.

Die be­wuss­te oder un­be­wuss­te Über­tra­gung der For­mu­lie­rung „zwei­te Nai­vi­tät“ aus der theo­lo­gi­schen in die mu­sik-her­me­neu­ti­sche Sphä­re, ins­be­son­de­re in dem so hell­sich­ti­gen Bezug zu Mo­zarts Krea­ti­vi­tät, bleibt in jedem Fall, so­weit ich sehe, das al­lei­ni­ge Ver­dienst Al­fred Ein­steins.


[i] Al­fred Ein­stein, Mo­zart. Sein Cha­rak­ter, sein Werk, Stock­holm: Ber­mann-Fi­scher-Ver­lag 1947; Voll­text ver­füg­bar hier. Ein­steins Vor­wort ist si­cher­lich nicht zu­fäl­lig auf den 9. Mai 1945 (Ende des II. Welt­kriegs) da­tiert.
Eng­li­sche Ori­gi­nal­aus­ga­be: Al­fred Ein­stein, Mo­zart. His Cha­rac­ter, His Work, über­setzt von Ar­thur Men­del und Na­than Bro­der, New York: Ox­ford Uni­ver­si­ty Press 1945; Ta­schen­buch-Re­print ebd. 1962 und spä­ter. Le­se­pro­be ver­füg­bar hier. Das Buch wurde von Ein­stein na­tür­lich auf Deutsch ge­schrie­ben (s. a. Eva Ein­steins Er­in­ne­rung).

[ii] Ein Bei­spiel: Zum frag­men­ta­ri­schen Al­le­gro in g-moll KV 312, kom­po­niert ver­mut­lich 1790/91 (KV6: 590d), gibt Al­fred Ein­stein klag­los zu, er habe es in sei­nem KV3 „lei­der völ­lig falsch pla­ciert…, als ich es unter die ‚Münch­ner‘ Kla­vier­so­na­ten stell­te“ (S. 339).

[iii] W. A. Mo­zart, The ten ce­le­bra­ted string quar­tets. First au­then­tic edi­ti­on in score based on au­to­graphs in the Bri­tish Mu­se­um and on early prints, ed. by Al­fred Ein­stein, Lon­don: No­vel­lo 1945.

[iv] In der eng­li­schen Aus­ga­be: „se­cond naïveté“. Im Zu­sam­men­hang mit dem „Ave verum“ KV 618 for­mu­liert er: „zwei­te Ein­fach­heit“ (S. 465).

[v] Joa­chim Negel, Zwei­te Nai­vi­tät. Be­griffs­ge­schicht­li­che und sys­te­ma­ti­sche Er­wä­gun­gen zu einem viel­be­müh­ten, aber sel­ten ver­stan­de­nen Kon­zept, in: Tho­mas Möl­len­beck und Lud­ger Schul­te (Hg.), Weis­heit – Spi­ri­tua­li­tät der Mensch­heit, Müns­ter: Aschen­dorff 2021, S. 279–305; Voll­text ver­füg­bar hier.

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