Dmi­tri Schosta­ko­witsch

„Warum gibt’s bei Henle nicht das be­rühm­te Kla­vier­trio von Schosta­ko­witsch?“ oder: „Wann kommt end­lich die sieb­te Kla­vier­so­na­te von Pro­kof­jew?“ Sol­che Fra­gen zu un­se­rem Pro­gramm er­hält das Lek­to­rat immer wie­der ein­mal.
Sie sind zu­nächst ja auch sehr na­he­lie­gend, denn von einem Ver­lag, der sich auf die Kla­vier- und Kam­mer­mu­sik der so ge­nann­ten klas­si­schen Musik spe­zia­li­siert hat, darf man er­war­ten, dass nicht nur die her­aus­ra­gen­den Werke des 17. bis 19. Jahr­hun­derts, son­dern auch die­je­ni­gen des jüngst ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts, die „Klas­si­ker der Mo­der­ne“, im Ver­lags­ver­zeich­nis ver­tre­ten sind.

Ser­gei Pro­kof­jew

Aber es gibt nicht nur ge­wich­ti­ge Grün­de, um eine Ur­text­edi­ti­on eines Wer­kes zu rea­li­sie­ren, son­dern auch sol­che, um es nicht zu tun. Ge­nau­er ge­sagt, sind es drei Vor­be­hal­te, wovon zwei un­mit­tel­bar ein­leuch­tend sind, näm­lich die Ver­kaufs­aus­sich­ten und die Quel­len­la­ge. Es liegt auf der Hand, dass sich die Aus­ga­ben rech­nen und die Quel­len für eine neue kri­ti­sche Edi­ti­on zu­gäng­lich sein müs­sen. Ein drit­ter Grund ist noch ge­wich­ti­ger, aber nicht so stark im all­ge­mei­nen Be­wusst­sein ver­an­kert: Das Werk darf, um es ohne gül­ti­gen Ver­trag mit dem Kom­po­nis­ten oder sei­nen Rechts­nach­fol­gern edie­ren zu kön­nen, nicht mehr ur­he­ber­recht­lich ge­schützt sein.

Das heute durch die di­gi­ta­le Prä­sen­ta­ti­on von ge­schütz­ten Noten er­neut heiß dis­ku­tier­te Ur­he­ber­recht mit genau fest­ge­leg­ten Schutz­fris­ten für mu­si­ka­li­sche Werke haben sich Mu­si­ker und Kom­po­nis­ten über Jahr­hun­der­te hin­weg Stück für Stück er­kämpft. War ur­sprüng­lich der lei­ten­de Ge­dan­ke für eine mit dem Tod des Ur­he­bers be­gin­nen­de Schutz­frist die Ver­sor­gung der Hin­ter­blie­be­nen, so nut­zen die (Rechts-)Erben heute oft die Tan­tie­men aus Ver­öf­fent­li­chun­gen und Auf­füh­run­gen auch ge­zielt zur För­de­rung der Musik des Ver­stor­be­nen. Als Bei­spiel sei die in der Schweiz an­säs­si­ge Fon­da­ti­on Hin­de­mith ge­nannt, die aus den Ein­nah­men der ge­schütz­ten Werke das Hin­de­mith In­sti­tut in Frank­furt/Main fi­nan­ziert, das den Nach­lass des Meis­ters ver­wahrt und er­forscht sowie die Ge­samt­aus­ga­be sei­ner Werke er­ar­bei­tet.

Un­ter­schied­li­che na­tio­na­le Tra­di­tio­nen und Rechts­auf­fas­sun­gen ver­hin­der­ten bis­lang eine welt­weit ein­heit­li­che Schutz­frist, die Dau­ern rei­chen von 50 Jahre (China, Japan) bis 100 Jahre (Me­xi­ko). Bis 1996 waren auch in Eu­ro­pa zum Teil er­heb­lich von­ein­an­der ab­wei­chen­de Fris­ten maß­geb­lich, bei­spiels­wei­se 70 Jahre in Deutsch­land, Ös­ter­reich und der Schweiz, 50 Jahre in Groß­bri­tan­ni­en, 80 Jahre in Spa­ni­en sowie 84,8 Jahre (70 + 14,8 Jahre als Ent­gelt für Ver­lus­te wäh­rend der bei­den Welt­krie­ge) in Frank­reich. Im­mer­hin wurde seit­her für die Mit­glie­der der Eu­ro­päi­schen Union die Dauer der Schutz­frist auf 70 Jahre nach dem Tod des Ur­he­bers ver­bind­lich fest­ge­legt – eine Re­ge­lung, der sich in­zwi­schen viele wei­te­re eu­ro­päi­sche und au­ßer­eu­ro­päi­sche Län­der an­ge­schlos­sen haben. Für die USA gilt seit 1998 eine zwi­schen Autor und Un­ter­neh­men als Rech­te­inha­ber dif­fe­ren­zie­ren­de Re­ge­lung zwi­schen 70 und 95 Jah­ren.

Für uns be­deu­tet die 70-jäh­ri­ge Schutz­frist, dass die Werke von Pro­kof­jew († 1953) und Schosta­ko­witsch († 1975) sowie von vie­len wei­te­ren Kom­po­nis­ten noch eine Weile war­ten müs­sen, bis sie das be­rühm­te Hen­le-Blau zie­ren wird.

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