In frü­he­ren Blog­bei­trä­gen kamen be­reits ge­le­gent­lich Be­ar­bei­tun­gen zur Spra­che. Den An­lass, die­ses Thema er­neut auf­zu­grei­fen, bie­tet die so­eben er­schie­ne­ne Neu­aus­ga­be von Clau­de De­bus­sys Min­st­rels in der Fas­sung für Vio­li­ne und Kla­vier (HN 1246).

Ob­wohl der fran­zö­si­sche Kom­po­nist ge­gen­über sol­chen Neu­fas­sun­gen für an­de­re Be­set­zun­gen eher eine skep­ti­sche Hal­tung ein­nahm – und zwar umso stär­ker, je älter er wurde –, haben sich Tran­skrip­tio­nen von De­bus­sys Hand in er­staun­li­cher Zahl er­hal­ten. Eine der we­ni­ger be­kann­ten Be­ar­bei­tun­gen eines ei­ge­nen Werks be­trifft Min­st­rels, das letz­te Stück aus dem ers­ten, 1910 er­schie­ne­nen Heft der Préludes für Kla­vier. Aus­schlag­ge­bend war in die­sem Fall De­bus­sys Freund­schaft zu dem Gei­ger Ar­thur Hart­mann.

Pro­gramm­zet­tel vom 5. Fe­bru­ar 1914

Den un­mit­tel­ba­ren An­lass bot ein ge­mein­sa­mes Kon­zert am 5. Fe­bru­ar 1914, in dem auch drei Werke De­bus­sys in Be­ar­bei­tun­gen für Vio­li­ne und Kla­vier vor­ge­führt wur­den: das Lied „Il pleu­re dans mon cœur“ aus den Ari­et­tes oubliées sowie La Fille aux che­veux de lin und Min­st­rels aus dem ers­ten Heft der Préludes. Laut Pro­gramm­zet­tel stam­men alle drei Tran­skrip­tio­nen von Hart­mann. Und tat­säch­lich hat sich auch eine Be­ar­bei­tung von Min­st­rels von Hart­mann selbst in des­sen Nach­lass er­hal­ten. Im Kon­zert aber er­klang ein­deu­tig die­je­ni­ge von De­bus­sy selbst, die of­fen­bar vom Gei­ger ei­gens zu die­sem Kon­zert in Auf­trag ge­ge­ben wurde. In einem Brief De­bus­sys heißt es näm­lich: „Sie kön­nen auf mich zäh­len am kom­men­den 5. Fe­bru­ar […]. An Min­st­rels ar­bei­te ich ge­ra­de, so­bald es fer­tig ist, gebe ich Ihnen Be­scheid“. Und ge­gen­über sei­nem Ver­le­ger Jac­ques Du­rand stell­te er noch am Vor­abend klar: „Die Be­ar­bei­tung von Min­st­rels ist von mir; nach dem Kon­zert, d. h. mor­gen Abend, steht sie Ihnen zur Ver­fü­gung“. Die Ir­ri­ta­ti­on mag da­durch ent­stan­den sein, dass in den Kon­zer­tan­non­cen und, wie schon er­wähnt, selbst noch auf dem Pro­gramm­zet­tel alle drei De­bus­sy-Be­ar­bei­tun­gen als „Tran­scrip­ti­ons par Ar­thur Hart­mann“ an­ge­kün­digt waren. Der Gei­ger sorg­te dann auch noch nach­träg­lich für Ver­wir­rung, als er in sei­nen erst­mals 1918 ver­öf­fent­lich­ten Er­in­ne­run­gen Clau­de De­bus­sy As I Knew Him be­haup­te­te, die Be­ar­bei­tung stam­me von ihm und er habe sie De­bus­sy nur über­las­sen, um die­sem in fi­nan­zi­el­ler Not­la­ge zu hel­fen.

Tho­mas Ka­bisch, der Her­aus­ge­ber un­se­rer Neu­aus­ga­be, ver­mu­tet, dass die ge­mein­sa­me Durch­sicht des Vio­lin­parts und die Hin­zu­set­zung von Fin­ger­sät­zen Hart­mann zu die­ser ir­ri­gen Be­haup­tung ge­bracht haben könn­ten. Diese Fin­ger­sät­ze der Ori­gi­nal­aus­ga­be sind in un­se­rer Neu­aus­ga­be im Vio­lin­part der Par­ti­tur wie­der­ge­ge­ben, da­ge­gen lie­gen der Edi­ti­on wie üb­lich eine un­be­zeich­ne­te und eine be­zeich­ne­te Violin­stim­me bei, für die In­golf Tur­ban ver­ant­wort­lich zeich­net.

De­bus­sys Be­ar­bei­tung geht über eine rein me­cha­ni­sche Über­tra­gung der mu­si­ka­li­schen Sub­stanz des ori­gi­na­len Kla­vier-Préludes weit hin­aus, da ge­le­gent­lich in den ur­sprüng­li­chen No­ten­text ein­ge­grif­fen wird und – das zeigt be­reits die Auf­tei­lung des Kopf­mo­tivs auf Kla­vier und Vio­li­ne – ori­gi­nel­le Lö­sun­gen ent­wi­ckelt wer­den, die die Kom­po­si­ti­on in einem neuen Licht er­schei­nen las­sen. In­so­fern liegt mit Min­st­rels eine ei­gen­hän­di­ge Be­ar­bei­tung vor, die für Pia­nis­ten wie Gei­ger glei­cher­ma­ßen von gro­ßem In­ter­es­se ist.

Wer nun das Stück mit zwei Gran­den der fran­zö­si­schen Musik er­le­ben möch­te, dem sei die Ein­spie­lung mit Jac­ques Thi­baud und Al­fred Cor­tot aus dem Jahre 1929 emp­foh­len.

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