Neu­lich mo­nier­te Herr David Perry, ein Gei­ger aus Ka­na­da, eine sei­ner Mei­nung nach fal­sche Vor­schlags­no­te in mei­ner Ur­text­aus­ga­be des Mo­zart­schen A-dur-Vio­lin­kon­zerts KV 219. Es geht um Takt 69 im ers­ten Satz. In Mo­zarts Au­to­graph steht schein­bar zwei­fels­frei zur Haupt­no­te d3 die Vor­schlags­no­te a2:

Mo­zart, Au­to­graph, Vio­lin­kon­zert A-Dur, KV 219, T. 68/69 Wa­shing­ton, Li­bra­ry of Con­gress, On­line-Scan: Image 15/101

Herr Perry stör­te sich nicht nur an der für Mo­zart un­ge­wöhn­li­chen, um nicht zu sagen un­mög­li­chen Vor­schlagsquar­te, er ver­wies auch auf die – üb­li­che – Vor­schlags­no­ten-Schrei­bung einen Takt zuvor und auf die Par­al­lel­stel­len der Takte 170/171.

Die Vor­schlags­quar­te ist ja in der Tat merk­wür­dig, aber so steht sie nun ein­mal da und sie fügt sich auch klang­lich prima in die Har­mo­nie (auf allen mo­der­ne­ren Auf­nah­men von KV 219 er­klingt hier a2). Und des­halb gibt sie auch un­se­re Ur­text­aus­ga­be ge­nau­so wie­der (wie üb­ri­gens u.a. auch Bä­ren­rei­ter), zu­sätz­lich mit mei­ner „war­nen­den“ Fuß­no­te: „Die von­ein­an­der ab­wei­chen­den Vor­schlags­no­ten in T. 68/69 und 170/171 wer­den ge­treu dem Au­to­graph wie­der­ge­ge­ben.“

Ich woll­te schon eine freund­lich-be­dau­ern­de E-Mail ver­fas­sen, da fiel mir bei nä­he­rer Be­trach­tung der au­to­gra­phen Stel­le plötz­lich auf, dass die frag­li­che Vor­schlags­no­te „zu hoch“ steht, näm­lich die EINE Hilfs­li­nie auf Höhe der obe­ren Hilfs­li­nie der Haupt­no­te. Hätte Mo­zart tat­säch­lich die Vor­schlags­quar­te a2 ge­wollt, so säße die Hilfs­li­nie und mit ihr das ge­sam­te Nöt­chen deut­lich tie­fer. Und da war mir dann klar, dass Mo­zart schlicht die un­te­re Hilfs­li­nie zu no­tie­ren ver­gaß. Es ist SCHEIN­BAR ein a2, ge­meint ist je­doch das er­wart­ba­re cis3. Ich bin mir da ganz si­cher: Es fehlt schlicht die un­te­re Hilfs­li­nie.

Liebe Gei­ger: Sie kön­nen sich gerne die (loh­nen­de) Zeit neh­men und das ge­sam­te Mo­zart-Au­to­graph dar­auf­hin durch­blät­tern. Die­ser Satz wim­melt ge­ra­de­zu von Vor­schlags­no­ten. Sie alle kom­men wie ge­wohnt als Se­kun­de von oben oder von unten. Und immer schreibt Mo­zart die Nöt­chen samt Hilfs­li­nie(n) exakt auf Höhe der je­wei­li­gen Haupt­no­te. In T. 69 auch, hier fehlt nur lei­der die un­te­re Hilfs­li­nie.

Sie soll­ten also ab so­fort in T. 69 das fal­sche a2 zum rich­ti­gen cis3 kor­ri­gie­ren. Und in der nächs­ten Auf­la­ge un­se­rer Ur­text­aus­ga­be werde ich die­sen är­ger­li­chen Mi­ni­feh­ler rich­tig­stel­len. Danke David Perry!

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Eine Antwort auf »Ein ärgerlicher Minifehler in Mozarts Violinkonzert KV 219«

  1. Paul Becker sagt:

    „Ach ja, die kleinen Noten-Detektivarbeiten – man möchte fast meinen, Mozart hat uns absichtlich solche Rätsel hinterlassen, damit uns nie langweilig wird. 😄 Aber hey, Respekt an David Perry – manchmal braucht es eben einen frischen Blick, um solche Details zu entlarven. Das cis3 statt a2 klingt tatsächlich viel plausibler, und ich wette, Mozart würde uns jetzt von oben zuzwinkern und sagen: ‚Na, habt ihr’s endlich gemerkt?‘

    Das zeigt doch wieder: Egal wie oft man glaubt, etwas verstanden zu haben, die Musikgeschichte hat immer eine Überraschung auf Lager. Vielleicht lohnt es sich, ab und zu mal mit einer Tasse Tee in alten Autographen zu schmökern – könnte ja sein, dass noch ein paar weitere kleine Hilfslinien-Schätze auf uns warten. 😄

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