Der G. Henle Ver­lag setzt seit ei­ni­ger Zeit ver­trieb­li­che Pro­gramm­schwer­punk­te für jedes Ka­len­der­jahr, die von be­son­de­ren Wer­be­ak­tio­nen und Wer­be­ma­te­ria­li­en be­glei­tet wer­den.
2014 haben wir das Jahr der Stu­di­en-Edi­ti­on (Ka­ta­log und Vi­deo­clips hier) und der Flöte aus­ge­ru­fen.

Der Hen­le-Ka­ta­log ist mit Flö­ten­li­te­ra­tur gut auf­ge­stellt (Flöte solo, Flöte und Kla­vier, in­klu­si­ve Kla­vier­aus­zü­ge von Flö­ten­kon­zer­ten). Im Vor­feld des Flö­ten­jahrs hat unser Lek­to­rat na­tür­lich über­legt, wo wir noch Lü­cken fül­len und somit Ur­text­aus­ga­ben be­deu­ten­der Flö­ten­li­te­ra­tur vor­le­gen kön­nen, die Sie im Ka­ta­log bis­lang ver­misst haben. So er­schie­nen be­reits 2012 Jou­eurs de flûte von Al­bert Rous­sel (HN 1092), 2013 die So­lo­so­na­te von Carl Phil­ipp Ema­nu­el Bach (HN 555), 2014 die Suite op. 34 von Charles Marie Widor (HN 1218) sowie die 12 Fan­ta­si­en von Georg Phil­ipp Te­le­mann (HN 556).

Unter die­sen vier Ti­teln neh­men Bach und Te­le­mann eine Son­der­stel­lung ein. Es sind bei­des Titel für Flöte solo und sie stam­men beide im wei­tes­ten Sinn aus dem Be­reich der „alten“ Musik. Beim Pla­nen und Er­ar­bei­ten der Aus­ga­ben wur­den selbst­ver­ständ­lich alle Ur­text-As­pek­te der bei­den Werke aus­ge­lo­tet (siehe dazu auch den Blog-Bei­trag zur Bach-So­na­te). In bei­den Fäl­len ist je­doch die Quel­len­la­ge „leicht“, da als ein­zi­ge Quel­len Erst­aus­ga­ben aus dem Um­feld der bei­den Kom­po­nis­ten über­lie­fert sind, die kaum Fra­gen offen las­sen. Umso wich­ti­ger war es, sich über die prak­ti­sche Aus­stat­tung die­ser Edi­tio­nen Ge­dan­ken zu ma­chen. Wir haben uns daher um­ge­hört und ver­sucht zu er­fah­ren, was sich Flö­tis­ten un­se­rer Tage – ab­ge­se­hen von Ur­text, Vor­wort und Be­mer­kun­gen – wün­schen wür­den, wenn sie eine Neu­aus­ga­be er­wer­ben wol­len.

Lieb­ha­ber der „alten“ Musik spie­len, um eine au­then­ti­sche Auf­füh­rung zu ge­währ­leis­ten, gerne aus his­to­ri­schen Quel­len, da alte Hand­schrif­ten oder Dru­cke In­for­ma­ti­ons­wer­te ent­hal­ten, die in einer Edi­ti­on bis­wei­len ver­lo­ren gehen. Die bei­den ge­nann­ten Werke von Bach und Te­le­mann sind denn auch in Quel­len über­lie­fert, die jedem Mu­si­ker Freu­de be­rei­ten, denn sie sind au­ßer­ge­wöhn­lich klar und gut les­bar. Im Fall der Fan­ta­si­en von Te­le­mann be­sitzt die Quel­le zudem einen be­son­de­ren Wert. So­weit wir wis­sen, war der Kom­po­nist selbst für den Stich der Erst­aus­ga­be ver­ant­wort­lich. Dies mag der Grund dafür sein, dass die Quel­le weit­ge­hend feh­ler­frei ist und zudem mit Be­dacht für die Pra­xis ein­ge­rich­tet wurde: Te­le­mann gibt sich große Mühe, das mu­si­ka­li­sche Ma­te­ri­al einer Fan­ta­sie je­weils auf nur eine No­ten­sei­te zu plat­zie­ren. Das ist über­sicht­lich und blät­ter­freund­lich – auch wenn Te­le­mann dafür die No­ten­köp­fe teil­wei­se ex­trem ver­klei­nern muss­te. Ein fas­zi­nie­ren­des Do­ku­ment ist diese Erst­aus­ga­be zwei­fel­los. Aus die­sen Grün­den haben wir be­schlos­sen, den bei­den Bach- und Te­le­mann-Aus­ga­ben Re­pro­duk­tio­nen der kom­plet­ten Quel­len bei­zu­ge­ben – je­weils ver­se­hen mit Takt­zah­len, um die Ori­en­tie­rung beim Spie­len und Ver­glei­chen mit der Edi­ti­on zu er­leich­tern.

Fan­ta­sia 1 aus der Erst­aus­ga­be, Ham­burg, ver­mut­lich zwi­schen 1725 und 1730

Damit nicht genug. Das Ver­hält­nis zwi­schen No­ta­ti­on und Aus­füh­rung ist in der „alten“ Musik an­ders, als wir es im klas­sisch-ro­man­ti­schen Re­per­toire ge­wöhnt sind. Ein­fa­cher ge­sagt: Bei ty­pi­schen Hen­le-Ti­teln, wie etwa der Kla­vier­mu­sik von Beet­ho­ven oder Schu­mann, kann man sich re­la­tiv si­cher dar­auf ver­las­sen, dass das, was in den Noten steht, so auch ge­spielt wer­den soll. In der alten Musik ist das oft nicht der Fall. Aus­zie­rung und Im­pro­vi­sa­ti­on über das No­tier­te hin­aus waren unter be­stimm­ten Be­din­gun­gen aus­drück­lich er­wünscht. In den Fan­ta­si­en von Te­le­mann gibt es Stel­len, die so „karg“ sind, dass man als Mu­si­ker etwas damit ma­chen muss. Die Frage ist – was?

Spe­zia­lis­ten ken­nen sich damit na­tür­lich aus; Mu­si­ker, die am klas­sisch-ro­man­ti­schen Re­per­toire ge­schult sind, mögen mit­un­ter rat­los sein. Un­se­re Idee war daher, für die Hen­le-Edi­ti­on Spe­zia­lis­ten zu ge­win­nen. Sie soll­ten in kur­zen Kom­men­ta­ren Hil­fe­stel­lun­gen an­bie­ten, die vom Kom­po­nis­ten offen ge­las­se­nen Leer­stel­len zu fül­len. Für die So­lo­so­na­te von Carl Phil­ipp Ema­nu­el Bach hol­ten wir Karl Kai­ser, für die Fan­ta­si­en Te­le­manns Ra­chel Brown mit ins Hen­le-Boot.

Beide Flö­tis­ten stüt­zen ihre Über­le­gun­gen auf his­to­ri­sche Do­ku­men­te zur Spiel­pra­xis, die aus der Feder des je­wei­li­gen Kom­po­nis­ten stam­men. Somit steckt auch in die­sen Kom­men­ta­ren so viel Quel­len-Nä­he und „Ur­text“ wie mög­lich.
Als ein Bei­spiel sei hier ein me­lo­di­sches Frag­ment aus der 11. Fan­ta­sie Te­le­manns an­ge­führt (un­ters­te Zeile) mit mög­li­chen Aus­zie­rungs­vor­schlä­gen von Ra­chel Brown dar­über.

Me­lo­di­sches Frag­ment aus der 11. Fan­ta­sie Te­le­manns

Kli­cken Sie hier, wenn Sie die voll­stän­di­gen Kom­men­ta­re zu Bach bzw. Te­le­mann lesen wol­len (ein­fach hin­ter die Be­mer­kun­gen / Com­ments blät­tern, bis zu den An­mer­kun­gen zur Auf­füh­rungs­pra­xis / Notes on per­for­mance prac­tice).

Die bei­den neuen Edi­tio­nen mit Wer­ken für Flöte solo sind also etwas ganz Be­son­de­res (un­se­re Her­aus­ge­be­rin Ma­ri­on Beyer bringt üb­ri­gens in einem kur­zen Video Clip auf un­se­rer Web­site diese Be­son­der­hei­ten der Te­le­mann-Aus­ga­be auf den Punkt). Über­zeu­gen Sie sich selbst davon und schau­en Sie zum Flö­ten­jahr mit fri­schem Blick auf den Hen­le-Flö­ten­ka­ta­log!

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3 Antworten auf »Ein Jahr für die Flöte – Besondere Neuheiten im Henle Katalog«

  1. Flötist sagt:

    Bach ist natürlich wichtig. Habt ihr allerdings auch etwas für Anfänger? Würde mich über Antwort freuen, der Blogeintrag ist ja schon ein bisschen älter…

  2. Gustav sagt:

    Ist zwar von 2014, aber immer noch interessant zu lesen. Gerade für Flötenfreaks wie mich.

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