Alle Jahre wieder hält nicht nur die Weihnachtszeit, sondern, spätestens seit dem 19. Jahrhundert, auch der Weihnachtsbaum Einzug in die bürgerlichen Wohnungen. Freunde und Verwandte werden geladen, es muss dekoriert und vieles andere organisiert werden. Auch so mancher Komponistenhaushalt blieb davon nicht verschont.
Weihnachten 1869 verbringen Richard Wagner und Cosima in der Schweiz. Gerade rechtzeitig zum 24. reist, als Gast, kein anderer als Friedrich Nietzsche an, der sogleich in die Vorbereitungen mit eingebunden wird. Cosima notiert zu dem wagnerschen Weihnachts-Chaos in ihrem Tagebuch: „Professor Nietzsche kommt am Morgen und hilft mir, das Puppentheater herzurichten. Nachmittags muss ich noch einiges besorgen, während dem macht Richard die Probe von Knecht Ruprecht und Christkindchen.“ Wie es wohl war, diese Feiertage ausgerechnet mit dem späteren Autor der fröhlichen Wissenschaft und dem Antichristen zu begehen? Vielleicht so?
Eventuell ging es bei Cosimas Vater, Franz Liszt, vergnügter zu. Liszt, von dem sich auch einiges in unseren blauen Urtext-Ausgaben finden lässt, widmete seinem Enkelkind einen ganz besonderen Weihnachtsbaum. Es handelt sich um die Suite Der Weihnachtsbaum. Arbre de Noël Searle 186:
Wir wünschen Ihnen allen frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr!
Ihre Autoren des Henle-Blogs
Norbert Gertsch
Peter Jost
Norbert Müllemann
Annette Oppermann
Dominik Rahmer
Wolf-Dieter Seiffert
Weihnachtsbäume werden meistens nach der Höhe gemessen. Der von Franz Liszt zieht sich eher in die Länge. Man wird etwas an den witzigen Buchtitel von David Walden erinnert: How to Stay Awake During Anybody’s Second Movement.
Ein herzliches Dankeschön an die Blogautoren und Henle-App Betreuer für ihre tolle Arbeit im zu Ende gehenden Jahr. Wie sagte jemand über den Henle-Verlag? Ich glaube von denen werden wir auch in Zukunft einiges zu hören kriegen.
Gemessen an der im 19. Jahrhundert üblichen Weihnachtsmusik bleibt Franz Liszt im “Weihnachtsbaum” bemerkenswert unsentimental, im Gegenteil ist die Musik geradezu spröde und fügt sich damit in die Reihe seiner ähnlich gestrickten Spätwerke. In der Tat gibt es einige Längen, zudem stellt sich für den Klavierspieler die Materie oft kniffelig dar.