Ma­nu­el de Falla, No­ches en los jar­di­nes de España, Ti­tel­blatt der Erst­aus­ga­be

Im 19. Jahr­hun­dert ent­stan­den in fast ganz Eu­ro­pa spe­zi­fi­sche, von der ei­ge­nen Volks­mu­sik in­spi­rier­te Na­tio­nal­sti­le. In Spa­ni­en voll­zog sich diese Ent­wick­lung erst re­la­tiv spät, und ku­rio­ser­wei­se waren es zu­nächst fran­zö­si­sche Kom­po­nis­ten, die mit Wer­ken im spa­ni­schen Ko­lo­rit – man denke an Ge­or­ges Bi­zets Car­men oder Édouard Lalos Sym­pho­nie es­pa­gn­o­le – gro­ßen Er­folg hat­ten. Erst ab etwa 1880 tra­ten auch ge­bür­ti­ge Spa­ni­er mit ent­spre­chen­den Wer­ken ins Be­wusst­sein von Pu­bli­kum und Kri­tik. Der Bogen reicht von Pablo de Sa­ra­sa­te über Isaac Albéniz und En­ri­que Gra­na­dos bis zu Ma­nu­el de Falla.

Dem Wunsch vie­ler Mu­si­ker nach kri­ti­schen Neu­aus­ga­ben die­ses wich­ti­gen Re­per­toires stan­den die zum Teil sehr kom­ple­xe Quel­len­la­ge für ein­zel­ne Werke sowie die schwie­ri­ge Zu­gäng­lich­keit der Fund­or­te ent­ge­gen, so dass erst in den Jah­ren nach 2000 die ers­ten Edi­tio­nen beim Hen­le-Ver­lag auf den Weg ge­bracht wer­den konn­ten.

In der Ur­text-Rei­he stand zu­nächst die Kla­vier­mu­sik von Albéniz im Mit­tel­punkt, von der alle wich­ti­gen Werke als Ur­text­aus­ga­be vor­ge­legt wur­den, allen voran der vier­tei­li­ge Zy­klus Ibe­ria (HN 647–650) sowie die Suite es­pa­gn­o­le (HN 783). Eine schon län­ger ge­plan­te Edi­ti­on der be­rühm­ten Zi­geu­ner­wei­sen op. 20 für Vio­li­ne und Kla­vier von Sa­ra­sa­te (HN 573) er­schien 2013, und zwei Jahre spä­ter stand Gra­na­dos’ Haupt­werk für Kla­vier, die le­gen­dä­ren Go­y­e­scas (HN 582), auf dem Hen­le-Pro­gramm, wor­aus die be­kann­tes­te Num­mer, Que­jas o la maja y el ruiseñor (Kla­ge­lie­der oder das Mäd­chen und die Nach­ti­gall), im kom­men­den Früh­jahr auch als Ein­zel­aus­ga­be ver­füg­bar sein wird.

Pablo de Sa­ra­sa­te (1844–1908)

Vor­be­rei­tet wer­den der­zeit gleich zwei neue Aus­ga­ben spa­ni­scher Musik, Sa­ra­sa­tes po­pu­lä­re Spa­ni­sche Tänze für Vio­li­ne und Kla­vier (HN 1370) sowie Fal­las be­kann­tes­tes Werk, die No­ches en los jar­di­nes de España (Näch­te in spa­ni­schen Gär­ten) für Kla­vier und Or­ches­ter (Kla­vier­aus­zug HN 1450). In bei­den Fäl­len stel­len die Hen­le-Edi­tio­nen die ers­ten kri­ti­schen Aus­ga­ben unter Be­rück­sich­ti­gung aller ver­füg­ba­ren Quel­len dar.

Die An­re­gung zu den acht, je­weils als Num­mern­paar in vier Hef­ten zwi­schen 1878 und 1882 er­schie­ne­nen Spa­ni­schen Tän­zen (opp. 21–23 und 26) ver­dan­ken wir dem deut­schen Ver­le­ger Fritz Sim­rock. Bei der Aus­ar­bei­tung der neuen Kom­po­si­tio­nen be­nutz­te Sa­ra­sa­te be­reits vor­han­de­nes Ma­te­ri­al, Volks­lie­der oder Lie­der be­kann­ter Au­to­ren, und kom­bi­nier­te je­weils zwei in Cha­rak­ter und Rhyth­mus kon­tras­tie­ren­de Lie­der oder Tänze wie in Heft I die ty­pisch an­da­lu­si­sche „Ma­lagueña“ mit der (ur­sprüng­lich aus Kuba stam­men­den) „Ha­ba­ne­ra“.

Ti­tel­blatt der Erst­aus­ga­be von Sa­ra­sa­tes Spa­ni­schen Tän­zen, Heft 1

Die er­hal­te­nen Au­to­gra­phe der Spa­ni­schen Tänze bie­ten einen guten Ein­blick in die Werk­statt des Kom­po­nis­ten. Da er stän­dig auf Rei­sen war, brach­te Sa­ra­sa­te Ent­wür­fe und erste Nie­der­schrif­ten wäh­rend der Pau­sen zwi­schen den Kon­zert­ter­mi­nen zu Pa­pier, so bei­spiels­wei­se die bei­den Tänze von Heft II wäh­rend einer Skan­di­na­vi­en-Tour­nee. Alle Au­to­gra­phe ent­hal­ten zwar voll­stän­di­ge Nie­der­schrif­ten der Werke, je­doch weit­ge­hend ohne Bo­gen­set­zung, Dy­na­mik und Ar­ti­ku­la­ti­on. Diese Ver­fei­ne­run­gen sowie ein­zel­ne Än­de­run­gen des No­ten­texts wur­den of­fen­bar erst – wie die aus­nahms­wei­se er­hal­te­nen Stich­vor­la­gen für den Tanz Nr. 1 be­le­gen – in den je­wei­li­gen Ab­schrif­ten vor­ge­nom­men, die Sa­ra­sa­te an den Ver­le­ger Sim­rock schick­te.

Stich­vor­la­ge zu Nr. 1 (Violin­stim­me)

Da die Fin­ger­sät­ze und Strich- und Sai­ten­be­zeich­nun­gen, von we­ni­gen Aus­nah­men ab­ge­se­hen, nur in der se­pa­ra­ten Violin­stim­me er­schei­nen soll­ten, fer­tig­te Sa­ra­sa­te je­weils nicht nur eine Ab­schrift der Par­ti­tur, son­dern auch einen Aus­zug des Vio­lin­parts an. Wie schon bei der Ur­text-Edi­ti­on der Zi­geu­ner­wei­sen wer­den in un­se­rer Neu­aus­ga­be Sa­ra­sa­tes Be­zeich­nun­gen für die Vio­li­ne in der Par­ti­tur wie­der­ge­ge­ben; bei­ge­fügt sind eine un­be­zeich­ne­te sowie eine von In­golf Tur­ban neu be­zeich­ne­te Stim­me.

Ma­nu­el de Falla (1867–1946)

Bei der Neu­aus­ga­be von Fal­las No­ches en los jar­di­nes de España grei­fen wir auf das be­währ­te Ko­ope­ra­ti­ons­mo­dell mit Breit­kopf & Här­tel zu­rück: Par­ti­tur (PB 15153) und Or­ches­ter­stim­men (OB 15153) er­schei­nen beim Part­ner­ver­lag in Wies­ba­den, der Kla­vier­aus­zug bei Henle. Die­ser Kla­vier­aus­zug wird der erste im heute üb­li­chen Sinne, näm­lich für zwei Kla­vie­re zu vier Hän­den, sein, denn be­glei­tend zu den Erst­aus­ga­ben von Par­ti­tur, Or­ches­ter­stim­men und So­lo­kla­vier im Pa­ri­ser Ver­lag Max Eschig er­schien 1922 nur eine Aus­ga­be „Piano solo avec réduc­tion de l’or­ches­t­re tran­scrit à 4 mains“ aus der Feder von Gus­t­ave Sa­ma­zeuilh, d. h. eine Aus­ga­be mit zwei­hän­di­gem Kla­vier I (Solo) und vier­hän­di­gem Kla­vier II (Or­ches­ter). Un­klar ist, ob die Ent­schei­dung, den Or­ches­ter­part für Kla­vier zu vier Hän­den zu set­zen, auf den Be­ar­bei­ter selbst oder auf den Kom­po­nis­ten zu­rück­geht.

Be­ginn der Erst­aus­ga­be des ori­gi­na­len Kla­vier­aus­zugs

Sa­ma­zeuilh war nicht nur ein ver­sier­ter Pia­nist, son­dern auch ein er­fah­re­ner Ar­ran­geur, der zahl­rei­che Kla­vier­tran­skrip­tio­nen von sym­pho­ni­schen Wer­ken u.a. von Cha­b­rier, Chaus­son, De­bus­sy und Fauré vor­wei­sen konn­te. So gut seine Über­tra­gung auch ge­macht ist – sie hat den ent­schei­den­den Nach­teil, dass beim Spie­len in­klu­si­ve So­list – an­ders als bei Kla­vier­aus­zü­gen kon­zer­tan­ter Werke üb­lich – drei statt zwei Pia­nis­ten ge­braucht wer­den. Ab­hil­fe schafft nun un­se­re Neu­aus­ga­be, bei der Yuja Wang den Fin­gersatz für die So­lo­par­tie über­nahm und sich Jo­han­nes Um­breit der Auf­ga­be stell­te, eine neue Re­duk­ti­on des Or­ches­ters für zwei Hände zu er­stel­len.

Freu­en Sie sich auf diese neuen Ur­text-Edi­tio­nen spa­ni­scher Musik!

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