Es ist unter Mu­si­kern längst be­kannt, dass nicht nur Pia­nis­ten und Strei­cher in den Ge­nuss erst­klas­si­ger Ur­text­aus­ga­ben aus dem Hause Henle kom­men – auch für Blä­ser hält unser Ka­ta­log ein reich­hal­ti­ges An­ge­bot be­reit, das wir kon­ti­nu­ier­lich er­wei­tern. Das ak­tu­el­le Schwer­punkt­jahr „Flöte“, das sich ge­ra­de dem Ende ent­ge­gen­neigt (siehe die­sen Blog­bei­trag), un­ter­streicht das be­son­de­re Au­gen­merk, das wir dem Re­per­toire für Holz­blä­ser wid­men (wobei auch die Blech­blä­ser nicht un­be­ach­tet blei­ben).

Nach der Flöte ist die Kla­ri­net­te am stärks­ten in un­se­rem Blä­ser­pro­gramm ver­te­ten: al­lein für die Be­set­zung Kla­ri­net­te und Kla­vier hält unser Ka­ta­log 17 Aus­ga­ben aus dem klas­sisch-ro­man­ti­schen Kern­re­per­toire be­reit, dar­un­ter na­tür­lich Mo­zarts Kla­ri­net­ten­kon­zert eben­so wie die bei­den Kon­zer­te und das Con­cer­ti­no von Carl Maria von Weber, dazu die gro­ßen Werke von Men­dels­sohn, Schu­mann und Brahms bis hin zur an­bre­chen­den Mo­der­ne mit De­bus­sy, Reger, Niel­sen, Berg und Bu­so­ni. Und auch für kam­mer­mu­si­ka­li­sche Be­set­zun­gen mit Be­tei­li­gung der Kla­ri­net­te liegt eine viel­fäl­ti­ge Aus­wahl an Edi­tio­nen vor – als re­prä­sen­ta­ti­ve Bei­spie­le seien nur ge­nannt: Mo­zarts Kla­ri­net­ten­quin­tett KV 581 (HN 769), Schu­berts Der Hirt auf dem Fel­sen D 965 für Sing­stim­me, Kla­ri­net­te und Kla­vier (HN 969), Brahms’ Kla­ri­net­tent­rio op. 114 (HN 322) und Leoš Janáčeks hin­rei­ßen­de Suite Mládí (HN 1093).

Nun dür­fen sich die Kla­ri­net­tis­ten auf zwei neue span­nen­de Aus­ga­ben freu­en, die in Kürze bei uns er­schei­nen wer­den – und auch wir freu­en uns, dass wir damit zwei Kom­po­nis­ten neu in un­se­ren Ka­ta­log auf­neh­men kön­nen, die für die Kla­ri­net­te, ihr Re­per­toire und ihre An­er­ken­nung als voll­wer­ti­ges Solo- und En­sem­blein­stru­ment Weg­wei­sen­des ge­leis­tet haben: Louis Spohr (1784–1859) und Bern­hard Hen­rik Cru­sell (1775–1838).

Louis Spohr

Sp­ohrs Kon­zer­te wer­den oft in einem Atem­zug mit denen We­bers ge­nannt, stel­len sie doch eben­falls einen Mei­len­stein für das frühe so­lis­ti­sche Kla­ri­net­ten­re­per­toire zu Be­ginn des 19. Jahr­hun­derts dar. Sp­ohrs Kla­ri­net­ten­kon­zert c-moll op.26 – das erste aus einer Reihe von vier Kon­zer­ten, die er für den Vir­tuo­sen Jo­hann Simon Herm­stedt ver­fass­te – hat bis heute nichts von sei­nem ro­man­ti­schen Zau­ber ver­lo­ren. Als erste Ur­text­aus­ga­be wer­tet un­se­re Edi­ti­on (HN 995) neben der Leip­zi­ger Erst­aus­ga­be von 1812 auch die in­zwi­schen wie­der­ent­deck­te au­to­gra­phe Par­ti­tur Sp­ohrs aus und kann so zahl­rei­che Un­ge­nau­ig­kei­ten frü­he­rer Aus­ga­ben be­sei­ti­gen. Zudem ent­deck­te unser Her­aus­ge­ber Ull­rich Schei­de­ler in die­ser Par­ti­tur, die sich im Ar­chiv der All­ge­mei­nen Mu­sik-Ge­sell­schaft Zü­rich be­fin­det, in­ter­es­san­te hand­schrift­li­che Nach­trä­ge zur So­lo­stim­me, die durch­aus auf Spohr zu­rück­ge­hen kön­nen oder viel­leicht sogar von ihm selbst stam­men, und die daher im An­hang un­se­rer Aus­ga­be aus­führ­lich do­ku­men­tiert wer­den.

Ein wei­te­res „Schman­kerl“ un­se­rer Aus­ga­be: eine Re­pro­duk­ti­on des his­to­ri­schen Vor­worts zur Erst­aus­ga­be (mit Über­set­zun­gen auf Eng­lisch und Fran­zö­sisch), in dem Spohr auf die da­mals bahn­bre­chen­den Neue­run­gen im Kla­ri­net­ten­bau ein­geht – der So­list Herm­stedt hatte ei­gens für die Aus­füh­rung von Sp­ohrs Kon­zert zahl­rei­che neue Klap­pen an sei­nem In­stru­ment an­brin­gen las­sen und trug so ent­schei­dend zur Ver­voll­komm­nung der Spiel­fä­hig­kei­ten und Ton­qua­li­tät der Kla­ri­net­te bei.

Und für alle, die das Kon­zert nicht nur ein­stu­die­ren, son­dern mit dem Or­ches­ter auf­füh­ren möch­ten: die Aus­ga­be ent­stand in be­währ­ter Ko­ope­ra­ti­on mit dem Ver­lag Breit­kopf und Här­tel in Wies­ba­den, wo pas­send zu un­se­rem Kla­vier­aus­zug die Par­ti­tur sowie das voll­stän­di­ge Or­ches­ter­ma­te­ri­al er­hält­lich sein wer­den.

Bern­hard Hen­rik Cru­sell

Ein heute we­ni­ger be­kann­ter Name ist Bern­hard Hen­rik Cru­sell, der aber zu sei­nen Leb­zei­ten in Eu­ro­pa als Kla­ri­net­ten­vir­tuo­se hoch­be­rühmt war und des­sen ei­ge­ne Kom­po­si­tio­nen wohl nicht we­ni­ger An­se­hen ge­nos­sen als die­je­ni­gen Sp­ohrs. Unter heu­ti­gen Kla­ri­net­tis­ten hat Cru­sell längst den Sta­tus des „Ge­heim­tipps“ ver­las­sen und wird wie­der re­gel­mä­ßig auf­ge­führt und auf CD ein­ge­spielt. Alle seine drei Kla­ri­net­ten­kon­zer­te wer­den im G. Henle Ver­lag in zu­ver­läs­si­gen Neu­aus­ga­ben er­schei­nen, den An­fang macht das Kon­zert in f-moll op. 5 (HN 1209).

Für die Edi­ti­on der drei Kon­zer­te Cru­sells haben wir Ni­co­lai Pfef­fer ge­won­nen – einen nicht nur be­reits er­fah­re­nen Her­aus­ge­ber, son­dern zu­gleich her­vor­ra­gen­den Kla­ri­net­tis­ten, der die Quel­len auch aus mu­si­ka­li­schem und spiel­tech­ni­schem Blick­win­kel sorg­fäl­tig auf mög­li­che Druck­feh­ler und Un­ge­nau­ig­kei­ten prü­fen kann. Dies ist umso wich­ti­ger, als etwa im Ge­gen­satz zum oben ge­nann­ten Sp­ohr-Kon­zert das Au­to­graph von Cru­sells f-moll-Kon­zert bis­her lei­der nicht wie­der­auf­ge­fun­den wor­den ist, so­dass die ein­zi­ge au­to­ri­sier­te Quel­le die Leip­zi­ger Erst­aus­ga­be von 1817 dar­stellt.

Auch hier fin­den sich im Vor­wort un­se­rer Aus­ga­be eine Fülle in­ter­es­san­ter De­tails zur Werk­ent­ste­hung, wobei wir auf bis­her un­ver­öf­fent­lich­te Brie­fe Cru­sells an C. F. Pe­ters zu­rück­grei­fen und mit­hil­fe von alten Ver­lags­an­zei­gen auch das ge­naue Er­schei­nungs­jahr der Erst­aus­ga­be (bis­lang in der Li­te­ra­tur auf 1818 da­tiert) prä­zi­sie­ren konn­ten.

Sie sehen, es gibt bei uns auch in Zu­kunft viel zu ent­de­cken für die „Cla­ri­net­te, die­ses (…) ge­wiss voll­kom­mens­te aller Blasein­stru­men­te“ (Louis Spohr)…

Dieser Beitrag wurde unter Autograph, Crusell, Bernhard Henrik, Erstausgabe, Faksimile, Klarinette, Klarinettenkonzert op. 26 (Spohr), Klarinettenkonzert op. 5 (Crusell), Klavier + Klarinette, Montagsbeitrag, Spohr, Louis, Urtext abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setzen Sie ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert