Manch ein Kla­vier­schü­ler wird sei­nen Augen nicht trau­en, wenn er die Be­zeich­nung una corda (= eine Saite) in den Noten liest.

 

 

 

 

Man könn­te mei­nen, wir woll­ten uns in das Zeit­al­ter John Cages und sei­ner prä­pa­rier­ten Kla­vie­re ver­set­zen. Denn wie soll der Spie­ler unter den 1–3 Sai­ten, die jeder Taste zu­ge­ord­net sind, ge­zielt eine aus­wäh­len und diese zum Klin­gen brin­gen?

Zu­ge­ge­ben, so naiv wer­den nur we­ni­ge sein, die sich mit ihrem In­stru­ment ein­ge­hend be­schäf­tigt haben. Una corda ver­langt den Ein­satz des lin­ken Pe­dals, des Dämp­fers. Wer je an einem Flü­gel das linke Pedal ge­tre­ten hat, wird den Ef­fekt ken­nen: Die Tas­ta­tur ver­schiebt sich zu­sam­men mit der ge­sam­ten An­schlags­me­cha­nik ein klei­nes Stück nach rechts; die im Kor­pus ge­spann­ten Sai­ten blei­ben na­tür­lich an ihrem Ort. So wird er­reicht, dass die Häm­mer­chen nicht mehr auf alle ihnen zu­ge­ord­ne­ten Sai­ten tref­fen, son­dern nur noch auf eine – una corda also. (Bei Kla­vie­ren ist una corda nur im über­tra­ge­nen Sinne mög­lich: Für die Dämp­fung wird dort der Weg der Häm­mer­chen zur Saite ver­kürzt.) Das In­stru­ment klingt nun nicht al­lein lei­ser son­dern auch mat­ter und wei­cher, ein Wech­sel der Klang­far­be, den viele Kom­po­nis­ten be­wusst ein­ge­setzt haben.

Die Ter­mi­no­lo­gie für den Ein­satz des lin­ken Pe­dals hat sich je­doch in der Ge­schich­te der No­ta­ti­on immer wie­der ge­wan­delt. Una corda ist die Form, die man am häu­figs­ten an­trifft. Beet­ho­ven hat sich die­ser Schreib­wei­se immer wie­der be­dient. Be­son­ders in sei­nen spä­ten So­na­ten setzt er den Klan­geffekt als Be­stand­teil sei­ner Kom­po­si­ti­on ein. In der So­na­te op. 101 ver­wen­det er die ita­lie­ni­sche und deut­sche Form:

 

 

 

 

Auch der Ort, an dem das linke Pedal wie­der los­ge­las­sen wer­den soll, wird genau be­zeich­net, für ge­wöhn­lich mit tre corde oder tutte le corde.

 

 

 

 

Beet­ho­ven geht je­doch noch einen Schritt wei­ter. Mit­un­ter schreibt er vor, bei der Auf­he­bung des lin­ken Pe­dals so be­hut­sam vor­zu­ge­hen, dass erst nach und nach wie­der alle Sai­ten zum Klin­gen ge­bracht wer­den sol­len, d.h., zu­nächst nur zwei und schließ­lich wie­der alle drei:

 

Auch Ro­bert Schu­mann gab oft­mals an, wel­che Stel­len den Ein­satz des lin­ken Pe­dals ver­lan­gen. Er ver­wen­det dafür den viel­leicht an­schau­lichs­ten Be­griff, die Ver­schie­bung, der be­inhal­tet, dass die Ebe­nen von Sai­ten und Häm­mer­chen ge­gen­ein­an­der ver­scho­ben wer­den, um den Ef­fekt der Dämp­fung zu er­zie­len:

 

 

 

 

Aus­ge­rech­net die – wie man mei­nen könn­te – ein­deu­tigs­te Be­zeich­nung für das linke Pedal, con sor­di­no, sorgt al­ler­dings für ein wenig Ver­wir­rung. In Skrja­b­ins 1. Kla­vier­so­na­te ver­wen­det die Erst­aus­ga­be, die zu­gleich ein­zi­ge Quel­le ist, so­wohl den Be­griff una corda


 

 

 

als auch con sord.

 

 

 

 

Zwei Be­grif­fe für das glei­che Phä­no­men?

Höchst­wahr­schein­lich schon. Den­noch haben wir bei der Vor­be­rei­tung der Edi­ti­on einen Mo­ment ge­zö­gert. Dif­fe­ren­ziert Skrja­bin viel­leicht be­wusst und meint zwei ver­schie­de­ne Ef­fek­te? Wie­der­um emp­fiehlt sich ein Sei­ten­blick auf Beet­ho­ven. Der „Mond­schein“-So­na­te stellt er die Spiel­an­wei­sung senza sor­di­no vor­aus. Damit ist nicht etwa ge­meint „ohne lin­kes Pedal“, son­dern „mit rech­tem Pedal“. Beet­ho­ven be­schreibt, was me­cha­nisch pas­siert, wenn das rech­te Pedal ge­tre­ten wird: Die Dämp­fer heben sich von allen Sai­ten, wes­halb die an­ge­schla­ge­nen Töne nach­klin­gen; man spielt „ohne Dämp­fer“. Heißt das im Um­kehr­schluss, dass Skrja­bin mit con sord. meint, die Stel­le im I. Satz T. 67 ff. solle „mit Dämp­fern“ also „ohne rech­tes Pedal“ ge­spielt wer­den? Prof. Mi­cha­el Schä­fer, der un­se­re Skrja­bin-Edi­tio­nen eng be­glei­tet, wies uns auf diese Stel­le hin und be­rich­te­te, er spie­le in der Tat diese Pas­sa­ge stets ohne rech­tes Pedal – ein ge­dämpf­ter, tro­cke­ner Klang ist ver­mut­lich genau, was Skrja­bin im Sinn hatte.

Den­noch be­zie­hen sich con sord. genau wie una corda, mit Ver­schie­bung oder II. Pedal (so in Bu­so­nis Tran­skrip­ti­on der Bach­schen Cha­conne) auf den Ein­satz des lin­ken Pe­dals. Um Ver­wir­run­gen aller Art vor­zu­beu­gen, haben wir uns dazu ent­schlos­sen, zwar die je­wei­li­ge vom Kom­po­nis­ten ge­wähl­te Be­zeich­nung zu über­neh­men, sie je­doch in einer Fuß­no­te für Pia­nis­ten un­se­rer Tage zu über­set­zen:

Sie haben Zwei­fel be­züg­lich der ein­deu­ti­gen Zu­ord­nung? Sie ken­nen an­de­re in­ter­es­san­te oder pro­ble­ma­ti­sche Stel­len? Dann schrei­ben Sie uns!

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7 Antworten auf »„una corda“ – „con sord.“ – „mit Verschiebung“: Wie dämpfe ich mein Klavier?«

  1. Ich kenne Klaviere mit drei Pedalen. Durch den Oberdeckel sieht man eine Mechanik, die auf Befehl des mittleren Pedals einen Filzvorhang zwischen die Saiten und die Hämmerchen senkt. Die Dämpfung ist ist sehr stark, für Übezwecke mag dies hilfreich sein. Ich suchte mühselig in alten Büchern und fand, das passte zu ‘sordine’ (eine Bezeichnung, die ja nur ausnahmsweise verwendet wird), ital. “Dämpfer”. Ob Beethoven diese Dämpfungsart mittels eines Filzvorhangs kannte und für das Stück verbieten wollte?

    Ich spiele den ersten Satz der Sonate cis-moll ohne Verschiebung, wenn das Instrument innerhalb des piano klanglich gut steuerbar ist. Andernfalls nehme ich den üblichen Verschiebungsdämpfer dosiert hinzu.

    Winfried Rieger

  2. Der Beitrag Dr.Müllemanns, una corda betreffend, enthält einen sachlichen Irrtum, auf den hinzuweisen ich mir erlaube: Nur auf den drei-chörig bespannten Hammerflügeln der Beethoven-Zeit bedeutete una corda tatsächlich eine Saite. Bei diesen Flügeln rutschte die Mechnik, bei ganz durch-gedrücktem linken Pedal, tatsächlich so weit nach rechts, dass der Hammer nur die rechte Saite des Saiten-Chores traf, das heißt: Man konnte den Hammer, je nach Fußstellung, beliebig auf eine, zwei oder, bei aufgehobenem linken Pedal, auf alle drei Saiten auftreffen lassen.
    Bei den heutigen, “richtigen” Flügeln, denen mit Repetitionsmechanik, trifft der Hammer bei durchgedrücktem linken Pedal zwei Saiten, mehr noch! : Bei richtiger Regulierung muss die linke Kante des Hammers die linke Saite des Saitenchores sogar noch ein klein wenig touchieren, andernfalls die Registrierung zu stark gerät.
    Gleichwohl ist die von Beethoven eingeführte Bezeichnung “una corda”, obwohl sachlich längst nicht mehr zutreffend, für die Benutzung des linken Pedals geblieben.
    Prof.KARL BETZ, 17.4.2015

  3. Michael Strasser sagt:

    Um die Anweisung “una corda” gewinnbringend anzuwenden und zu verstehen, sollte man sich ein wenig mit der Technik eines Flügels auseinandersetzen – und kein Komponist der oben angeführten Couleur schreibt solch eine Anweisung vor, ohne sich dabei etwas gedacht zu haben, dann lässt er solch eine doch lieber weg!

    Mit Dämpfer respektive Dämpfung (con sordino) hat die Benutzung des linken Pedals eigentlich nichts zu tun, auch wenn uns der Eindruck eines weicheren Klanges dies nur allzu gerne glauben lässt. Nein, im Gegenteil, die Technik der Dämpfung – das Niederdrücken der Taste hebt den Dämpfer, während das Loslassen derselben ihn senkt – oder die vollkommene Aufhebung der Dämpfung durch das rechte Pedal bleibt davon gänzlich unberührt und steht noch zur vollen Verfügung.

    Ein Blick in das Innere des Flügels auf die Harfe zeigt uns nicht nur was sich ereignet, wenn wir das linke Pedal einsetzen, sondern auch, über die unterschiedliche Bespannung der Saiten, warum durch die Verschiebung des Hammerwerks eine neue, den Ausdruck bereichernde Klangfarbe entsteht:
    Die tiefste Lage vom Subkontra a an ist einsaitig bespannt, ab dem Kontra e zweisaitig und ab dem Großen h dreisaitig, wobei in der hohen Lage ab dem dreigestrichenen e die Dämpfer gänzlich fehlen.
    Eingedenk der obigen Ausführung von Professor Karl Betz, geschieht nun folgendes: Die einsaitige Lage wird seitlich berührt, die zweisaitige nur voll auf einer Saite und die dreisaitige dem entsprechend nur voll auf zwei Saiten, während in beiden Fällen die quasi unberührte mitschwingt (wegen dieser einen leeren Saite trifft die Bezeichnung “una corda” letztendlich ja wieder zu).
    Und genau aus diesem Grunde entsteht die weichere, sanft perlende, neue Klangfarbe…

    Wie sie, Herr Müllemann, schön in ihrem Artikel anführen, gestaltete Beethoven sogar die Benutzung des langsamen “Zurück-Verschiebens” des linken Pedals “poco a poco due ed allora tre corde” als hörbares pianistisches Mittel, indem sich nicht nur die Lautstärke sondern auch die Klangfarbe einer mitkomponierten Dynamik unterziehen!
    Skrjabins Anweisung in seiner ersten Klaviersonate des “con sordino” dagegen will meiner Ansicht nach die polyphone Satzweise dem Pianisten vor Augen führen und ans Herz legen, um sie nicht willfährig mit dem groben Einsatz des rechten Pedales zu verwässern.
    Bei Ravel taucht die Bezeichnung “sourdine” niemals mit der des rechten Pedals auf, die bei ihm, wenn er ein “una corda” verlangt, “2 Ped.” lautet oder wie in “Une barque sur l’Océan” ein durchgehendes “Très enveloppé de pédales” vorschreibt. Wesentlich problematischer gestaltet sich die Anweisung in seinem berühmt-berüchtigten “Gaspard de la Nuit”; dort steht im letzten Stück neben “sourdine” auch “2 Ped.”, während im mittleren “Le Gibet” sogar “Sourdine durant toute la pièce” verlangt wird. Ob damit der Gebrauch des linken Pedals, das gedämpfte trockene Spiel mit möglichst wenig rechtem Pedal oder gar beides verlangt wird, bleibt wohl das Geheimnis des Komponisten und der Interpretation des Pianisten überlassen…

    Da ich momentan selbst an einer Suite für Klavier schreibe und im dritten Stück exzessiven, aber nicht ausschließlichen Benutzung des linken Pedals vorschreibe, ziehe ich persönlich die Bezeichnung “una corda” vor – auch, da das Anführen des rechten Pedals kaum noch in Gebrauch ist, um die Absicht der Veränderung der Klangfarbe unmissverständlich darzustellen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Michael Strasser

  4. Dr. Ackermann sagt:

    Die Dämpfer sind die sordini, sordino ist der Moderator, also ein Stück Filz, das zwischen Hammer und Saiten geschoben wird. Cerny berichtet, wie effektiv Beethoven una corda in der Mondscheinsonate einsetzt, eine Funktion, die er von Anton Walter in seinem Flügel auch haben wollte “den Zug mit der einen Saite will ich haben ..” Senza sordini meint also nicht mit angehobenen Dämpfern, sondern ohne Moderator, vermutlich una corda, welches Beethoven erst später in den Klavierkonzerten und den späteren Sonaten (Hammerklaviersonate) explizit aufschreibt. Zu Mozarts Zeiten und zum Jahrhundertwechsel war die Notation noch nicht üblich, auch Nannerls Fortepiano (Stein Kopie aus Leopolds Sparsamkeit heraus) hatte una corda.

    • Cord Garben sagt:

      Gern schicke ich Ihnen die Erklärung Udo Steingraebers. Wir haben das Verfahren für das “Waldweben” im “Siegfried” in der Bearbeitung Hermann Behns von 1916 für zwei Klaviere verwendet. Einer der Steingraeber-Flügel verfügte über ein entsprechende Vorrichtung.
      “Bis in die späten 1830er Jahre hinein verfügten die Klaviere über vielfältigere Register und Modulationsmöglichkeiten als die dreipedaligen Klaviere der Neuzeit. Mittels vier, manchmal sogar sechs Pedalen aktivierte man den Fagott- und den Janitscharenzug; das Fortepedal war in drei Bereiche der Dämpfungsabhebung aufgeteilt und eine “Sordino- Lade” ließ wahlweise Leder- oder Filzstreifen zwischen Saiten und Hammerwerk gleiten. Man kann sogar Forte-Attacken mit dem scheinbaren Dämpfer anschlagen.”

  5. Vesna Podrug sagt:

    Ich stehe gerade bei lernen von C.Debussys ˝Clair de lune˝, wo gerade am Anfang steht ˝con sordino˝. Mit linkem Pedal? Mit gedämpften Seiten (heißt – ohne rechtem Pedal? (warum nicht, gerade am Anfang?)
    Natürlich macht man die meiste Stimmung mit adequaten Spielart, mit Einstellung der richtigen Atmosphäre, aber; was hat Debussy gemeint?
    Ich danke für Erklärung, Vesna Podrug

    • Sehr geehrte Frau Podrug,
      ich bin mir ziemlich sicher, dass Debussy hier “mit linkem Pedal” meint und den gleichzeitigen Gebrauch des rechten Pedals für selbstverständlich hält (und nicht extra darauf hinweist). Das erzeugt gerade am Anfang eine gute Vorstellung davon, welchen Klang und welche Atmosphäre Debussy sich insgesamt für das Stück vorgestellt hat. Ich selbst würde das linke Pedal gut dosieren und bei den Stellen, die klanglich voluminöser und auch lauter sind, das linke Pedal wieder aufheben. Aber auch ein “f” mit linkem Pedal kann sehr reizvoll sein. Ich würde das einfach ausprobieren.
      Viel Vergnügen beim Einstudieren wünscht
      Norbert Müllemann

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